SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Frau Gratz musste ins Krankenhaus. Mit ihren 77 sollte sie einen Herzschrittmacher bekommen. Also ging ich noch mal bei ihr vorbei um ihr alles Gute zu wünschen.
Sie hatte Angst – klar. Und bei der zweiten Tasse Tee sagte sie: „Wissen sie, ich wünschte, dieser Kelch ginge an mir vorüber.“
Es gibt Dinge, die würde man sich lieber ersparen. Eine schwierige Prüfung, von der man nicht weiß, ob man sie besteht; ein unangenehmes Personalgespräch, vielleicht eins, bei dem man jemandem kündigen muss, es gibt tausend Situationen, denen man lieber aus dem Weg ginge. „Ich wünschte, dieser Kelch ginge an mir vorüber.“
Der Satz stammt aus der Bibel. Jesus sagt ihn in einer Situation, die für ihn absolut aussichtslos ist. Er weiß, dass es in Jerusalem gefährlich für ihn geworden ist, dass viele ihm nach dem Leben trachten. Was tun? Jesus zieht sich zurück in einen Garten, ganz allein. und er betet zu Gott: „Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Er will nicht sterben, will nicht in dieser gefährlichen Stadt bleiben. Aber wenn er jetzt ausweichen würde, dann würde er ja alles aufgeben, wofür er all die Jahre gelebt und gekämpft hat. Und deshalb fügt er seiner Bitte noch hinzu: „Aber, nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe!“
Wir können, wie Frau Gratz mit ihrem Herzschrittmacher, manchem nicht aus dem Weg gehen. Auch wenn das, was kommt uns noch so schwer fallen mag. Es gibt Situationen, da müssen wir irgendwie durch. Aber wir können – wie Jesus – das, was uns zu schwer erscheint, versuchen abgeben, das Tragen zu teilen. Wir können es aus unserer Hand geben und in Gottes Hand legen. Und wir können wenigstens versuchen darauf vertrauen, dass Gott es richtig machen wird. Wie auch immer das aussehen mag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5801
weiterlesen...