SWR2 Wort zum Tag

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Dass wir atmen, wird uns meist erst dann bewusst, wenn der Atem stockt, wenn etwas geschieht, das uns den Atem verschlägt: etwas überwältigend Schönes oder unbegreiflich Schlimmes. Ärzte, Therapeuten raten uns, auf den ausgewogenen Rhythmus von Ein- und Ausatmen zu achten.
In seinem Gedicht „Aufhebung“ sagt Erich Fried:

Sein Unglück
ausatmen können,
tief ausatmen,
so dass man wieder
einatmen kann.
....
Das wäre schon
fast wieder
Glück.“


Eine andere wichtige Erfahrung, die viele Menschen machen, ist die, dass uns der Atem geliehen ist. „Das deutsche Wort Atem – so lese ich beim Pfarrer und Theologen Kurt Marti (Gott im Diesseits, Stuttgart 2005, 21f) weist zurück auf das altindische ‚Atman’. Dort ist es die Bezeichnung für das innerste Wesen des menschlichen Selbst, das Anteil hat an der kosmischen Urkraft Brahman. ... Für die Bibel ist es Gott, der den Menschen den Lebensatem einhaucht ( 1. Mose 2,7; Jesaia 42,5). Wenn er diesen den Lebewesen wieder entzieht, ‚so verscheiden sie und werden wieder zu Staub.’ (Psalm 104,29)“
Der Atem ist uns geliehen – so sagen diese Texte - für eine gute Zeit, für die Zeit unseres Lebens. Vom ersten Atemzug bei der Geburt bis zum letzen beim Sterben. Und: auch davon sprechen die biblischen Texte – wir können im Atem ein Bild für unsere Existenz als Geschöpfe sehen: Wir sind Teil und wir nehmen Teil an etwas, das wir selbst nicht hervorgebracht haben, was vor uns war und nach uns sein wird – uns geliehen auf Zeit. Wir geben einmal zurück, was wir empfangen haben. Anfang und Ende unseres Lebens verbinden uns mit Gott. So wie das Leben überhaupt. In Psalm 150 heißt es: „Alles, was atmet, lobe Jahwe (den Herrn)!“ (Ps 150,6)




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