SWR2 Wort zum Tag

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60 Jahre NATO. In Straßburg, Kehl und Baden-Baden wird dieses Ereignis in den kommenden Tagen gefeiert. Aber ist der Geburtstag eines Militärbündnisses ein Grund zum Feiern? Ist es nicht eher ein Grund zum Klagen und zum Protestieren?
Das ist nicht leicht zu beantworten. Aber ich will mich dem Thema gerade auch an dieser Stelle nicht entziehen. Denn die Frage, welche Rolle militärische Gewalt – angedroht und ausgeübt - im Zusammenleben der Menschen spielt, betrifft meinen christlichen Glauben. Und sie ist eine sehr persönliche Frage. Ich bin selber ungefähr gleich alt wie die NATO und gehöre sicher zu ihren Nutznießern. 60 Jahre Friedenszeit in weiten Teilen Europas. 60 Jahre in dem Gefühl, beschützt zu sein. Aber auch: 60 Jahre labiles Gleichgewicht des Schreckens. 60 Jahre Rüstungswettlauf, Milliarden, die z.B. in der Entwicklungshilfe fehlen. Ein Bündnis das immer mehr aufrüstet, auch nuklear, das inzwischen auch in Nicht-NATO-Ländern eingreift und ohne Zustimmung der UNO handelt.
Auf militärische Gewalt setzen heißt: Opfer einkalkulieren. Aber kann es nicht auch Opfer geben, wenn Menschen nicht militärisch geschützt werden? Lädt das nicht Angreifer ein? Im Neuen Testament ist Jesus genau diesen Weg gegangen. Er hat auf Gewalt verzichtet, er hat sich angreifbar gemacht und ist zum Opfer geworden. Und das ist für Christen der Maßstab.

Ich habe Mühe, das als Maßstab zu akzeptieren und erst recht, es umzusetzen. Ich möchte mich davor schützen, Opfer zu werden. Und dass Politiker vor allem Menschen ihres Landes schützen, gehört zu ihrer Verantwortung. Aber die Tatsache bleibt, dass das Neue Testament hier eine andere Position hat. Zusammenleben ohne Gewalt, auch wenn es für mich, für uns gefährlich wird. Da ist die Bibel wirklich hart und fordernd.
Ich bedaure, dass dieses Jubiläum nicht leiser und schlichter begangen wird. Durchaus dankbar, dass hier Länder verbündet sind, die in früheren Zeiten erbitterte Feinde waren. Aber doch auch mit ernstem Gedenken der Opfer. Und mit einem grundsätzlichen Nachdenken, wie Völker mit weniger militärischer Sicherung zusammenleben können.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5720
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