SWR2 Wort zum Tag

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„Von der Not und dem Segen des Gebetes“. So lautet die Predigtsammlung, die vor 60 Jahren erschienen ist , immer noch aktuell und ergreifend. Karl Rahner hat sie damals gehalten, der große Vorbereiter des Konzils und theologische Denker, gestern vor 25 Jahren ist er verstorben. „Worte ins Schweigen“, so hat er selbst seine Gebete genannt. Beides kommt so zum Ausdruck: Die Not, betend die Worte womöglich nur ins Leere hinein zu sprechen. Aber auch das andere :Jenes erfüllte Schweigen, in dem der Mensch zu sich kommt, und zu Gott. Karl Rahner war, wie alle überzeugenden Christen, ein kontemplativer Mensch, einer, dem das Schweigen Kraft gibt,. „Hörer des Wortes“ wollte Rahner sein, und er war es. Er wusste sich angesprochen vom lebendigen Gott. Im schweigenden Hören belebt sich der innere Raum. Je mehr die vielen Stimmen des Herzens und des Kopfes langsam verstummen, je mehr sich eine förmlich kosmische Stille ausbreitet, desto mehr tauchen die Fixsterne der Hoffnung am inneren Himmel auf, und hörbar wird jenes viel versprechende Schweigen, in dem Gott spricht. Karl Rahner war ein betender Mensch, und das ist der Kern dessen, was er Mystik des Alltags nennt. In allen Dingen Gott zu finden, in allen Situationen und durch sie hindurch Gott sprechen zu hören – das ist Not und Segen des Gebetes. Rahner war ein kluger Kopf, er wusste und dachte viel, er war ein großer Lehrer. Wohl deshalb wusste er: „ Nur ein Erfahrenes, nur ein Erlebtes und Erlittenes ist ein Wissen, das sich nicht am Ende enttäuscht in Langeweile und Vergessen, sondern das Herz erfüllt mit der wissenden Weisheit erfahrener Liebe.“ Den ganzen Alltag so ins Gebet nehmen, darauf kommt es an-, zuhörend, durchatmend, geistesgegenwärtig.
Es gehört zu den grössten Hoffnungszeichen der Gegenwart, dass immer mehr Menschen das Kontemplative Gebet entdecken und üben: jeden Morgen sitzen, atmen, schweigen, hören - und dann hinein in den Tag.


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