Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Hiobsbotschaften gibt es derzeit aus der Finanzwirtschaft genug. Und jetzt gibt es im Kunstraum des Deutschen Bundestages eine Ausstellung mit dem Titel „Das Buch Hiob“. Das überrascht mich. Das passt genau in unsere Krise.

Was wollte der 78 jährige Mecklenburger Günther Uecker mit seinen Bildern anstoßen?
Hiob, das Schicksalsbuch Israels: Die Bibel erzählt: Hiob war rechtschaffen, redlich und gottesfürchtig und mied das Böse. Ein anständiger reicher Mann. Dennoch nahm ihm Gott alles, seinen Besitz, seine Kinder, seine Gesundheit. Hiob muss große Verluste hinnehmen, ja, er sitzt auf dem Scherbenhaufen seines Lebens, muss großes Leid erdulden.

Bundestagspräsident Norbert Lammert versuchte es bei der Ausstellungseröffnung auf den Punkt zu bringen:
„Hiob ist deswegen modern, weil er den großen Menschheitstraum brutal zerschlägt. Der Menschheitstraum, dass eigenes Wohlergehen mit dem eigenen Tun in kausalem Zusammenhang steht.“

Also, die Botschaft des Hiob ist: Meine Anständigkeit und meine Lebensqualität. Das eine folgt nicht aus dem anderen. Wenn ich Gutes tue, heißt das nicht, dass es mir auch gut geht. Und wenn es mir schlecht geht, heißt das nicht, dass ich einfach versagt habe.

Aber: warum ist das so? Warum lässt Gott einen anständigen Menschen leiden? Wir haben uns Wohlstand erarbeitet, warum wird uns jetzt existentiell so viel genommen? Womit haben wir das verdient?

Die Dichterin Nelly Sachs kommt denen, die das heute so erleben, recht nahe, wenn sie schreibt:

HIOB: Deine Stimme ist stumm geworden,
denn sie hat zuviel Warum gefragt
Wo du stehst, ist der Nabel der Schmerzen.
Hiob, du hast alle Nachtwachen durchweint


Angesichts solcher Hiob- Fragen und -Schmerzen möchte ich erinnern an Rabbi Jossel Rakjover, er starb in Auschwitz. Er betete: „Gott, magst Du mich auch beleidigen, magst Du mich züchtigen, magst Du mir auch wegnehmen das Teuerste und Beste, das ich habe auf der Welt, und mich zu Tode peinigen - ich werde immer an Dich glauben, Dir selbst zum Trotz!
Ich glaube an die Sonne, auch wenn sie nicht scheint. Ich glaube an die Liebe, auch wenn ich sie nicht fühle. Ich glaube an Gott, auch wenn er schweigt."
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5683
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