SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Seit über sechzig Jahren gibt es in dem kleinen Dorf Taizé in Burgund eine ökumenische Brüdergemeinschaft, die von Anfang an immer wieder besonders Jugendliche angezogen hat. Zu Beginn kamen diese Jugendlichen vor allem zu den Gebeten, später teilten sie auch das Leben der Brüder und halfen bei den täglichen Arbeiten mit. In den letzten Jahrzehnten nehmen Woche für Woche bis zu 5000 Jugendliche am gemeinsamen Leben in Taizé teil. Die täglichen Gebetszeiten und Bibelgespräche sowie das gemeinsame Arbeiten spielen für viele Jugendliche eine wichtige Rolle in ihrer religiösen Entwicklung.
Ein wichtiges Anliegen der Brüder in Taizé ist dabei vor allem, den jungen Menschen zuzuhören. Der Gründer der Gemeinschaft, Bruder Roger Schutz, hat gesagt, das Schönste in seinem Leben seien die Gebete, und das zweitschönste sei es, „einen Menschen im persönlichen Gespräch in seiner Ganzheit zu erkennen, sowohl die innere Dramatik (...) wie auch die unersetzlichen Gaben, durch die hindurch das Leben in Gott in einem Menschen alles vollbringen kann.“ Die inneren Konflikte eines Menschen, seine Schwächen und sein Scheitern gehören für Roger Schutz dazu, aber er möchte nicht dabei stehen bleiben, sondern möglichst schnell zu den besonderen Gaben des Gesprächspartners finden. Und er hält es für besonders wichtig, gerade in der Gemeinschaft der Kirche immer wieder zuzuhören und mitzufühlen. Als Christ kann man sich nicht mit sich selbst zufrieden geben. Sich mit Christus einzulassen ist eine Entscheidung für die Liebe. Und wer liebt, ist voll Erbarmen für die Menschen, die ihm anvertraut werden. Roger Schutz ist davon überzeugt, dass Gott jedem Menschen andere Menschen anvertraut. Und er glaubt, dass die Begleitung eines Menschen die tiefste Form der Selbstverwirklichung ist: „Je tiefer wir einen Menschen zu verstehen trachten, desto mehr lebt unser Herz auf.“
Weil sich die Fähigkeit des Zuhörens bei manchen Menschen im Alter auspräge, hält er den Dienst des Zuhörens für einen Dienst, den vor allem Ältere gut tun können. Er selbst hat es in den Anfängen seiner Gemeinschaft erlebt, wie die älteren, allein stehenden Frauen in dem kleinen Dorf in Burgund ihm zugehört und damit geholfen haben, seinen Weg zu finden. Und mit seiner Sorge für die Jugendlichen kommt er zu dem Schluss: „Es ist so wichtig, dass alte Menschen einen Jugendlichen einladen und ihn anhören, zum Beispiel einen jungen Menschen, der bis auf den Grund seiner Seele verletzt wurde, weil die engsten Beziehungen zu anderen Menschen zerbrochen sind. Wenn sie in der Stille für ihn beten, drängen sie sich damit nicht auf, und ihr Gebet ruft keine Verlegenheit hervor. Durch ihr Mitfühlen können sie, sogar ohne Worte, tiefes Vertrauen wecken: Die Vergangenheit ist in Gottes Herz versenkt, und unserer Zukunft nimmt er sich an.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5675
weiterlesen...