SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Ein ziemlich merkwürdiger Bauer ist das, der ohne Rücksicht auf Verluste sein Saatgut verschleudert, kein vernünftiger Mensch sät so, dass dreiviertel der Körner statt in der Furche zwischen Dornen, auf Fels oder auf dem Weg landen. Das ist doch verrückt! So viel Verlust!“ Ich unterhalte mich mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden über das Gleichnis vom Sämann, das Jesus im Lukasevangelium erzählt. Wir verstehen diesen Bauern nicht, der so unvernünftig sein Gut verschleudert.
Unbeirrt davon sät der Sämann. Verschleudert den Samen, das Wort, mit vollen Händen auf den Felsen, auf den Weg, in die Dornen. Manches fällt auf gutes Land.
„Zu welcher Sorte gehört Ihr wohl, Eurer Meinung nach“, frage ich. Zögern. „Felsen, Dornen“, meinen sie dann, fast ein wenig schüchtern.
Wer kann schon von sich behaupten, gutes Land zu sein, auf dem die Botschaft Gottes wächst und gedeiht. Aber - ist meine Frage überhaupt die richtige Frage? Kommt es bei der Geschichte vom Sämann vielleicht gar nicht darauf an, sie eins-zu-eins zu übersetzen, sondern darauf, zu staunen? Können Sie darüber staunen, wie unökonomisch der Sämann Gott ist? Wie er verschwendet und verschleudert, aus lauter Liebe! Das kann nicht an seiner Unfähigkeit als Bauer liegen. Nein, der Sämann handelt mit voller Absicht. Er knickert und geizt nicht mit dem, was er hat. Und er schaut nicht wie ein Kaninchen auf die Schlange Effizienz. Er traut sich, Misserfolg zu haben.
Er traut sich auch, sich auf den Misserfolg einzulassen, der in meiner Person liegen könnte, schreckt nicht davor zurück, dass ich vielleicht nur dorniges Gestrüpp bin. Wenn ich dem verrückten Bauer länger zuschaue, dann ahne ich: Jeder, der das Wort hört, das da gesät ist, jeder fasst es für einen Moment, auch wenn dieser Moment nur ganz kurz ist. Alle nehmen erst einmal das Wort auf, das mit liebevollen Händen reich ausgesät ist - auch noch der Felsen. Wer weiß, was in meinem Leben alles noch wachsen wird - auch dann, wenn ich mir selbst gerade wie ein harter Felsblock vorkomme. Wenn er so ist, der Sämann, unser Gott, dass er mit einem Herzen voller Liebe und mit vollen Händen das Saatgut in die Dornen wirft und auf den Fels und auf den Weg, wenn er die Hoffnung nicht aufgibt, dass auf dem Fels und unter Dornen doch etwas wächst, dann müssen auch wir die Hoffnung nicht aufgeben. Denn auch ein kleines Hälmchen, das zwischen den Dornen aufgeht, ist doch ein Hälmchen der Liebe, und das ist mehr, als nie geliebt zu haben und geliebt zu werden. Und da es ein göttliches Hälmchen ist, reicht es für die Ewigkeit.
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