SWR2 Wort zum Tag

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Ein Kardinal und ein Sozialarbeiter im Gespräch. Was sie verbindet: beide sind Jesuiten. Und beide bewegt die Frage: Welche Zukunft und welche Erwartungen an die Zukunft haben junge Menschen heute? Ihr Interesse am Leben Jugendlicher stammt aus sehr unterschiedlichen Erfahrungen im Umgang mit ihnen. Der eine, der Kardinal, war viele Jahre Universitätslehrer und Seelsorger für Studierende in Mailand und Rom. Der andere kennt Jugendliche von seiner Tätigkeit mit Straßenkindern, früher in Wien, heute in Rumänien und Moldawien. Aufgeschrieben haben sie ihr Gespräch in einem kleinen Bändchen „Jerusalemer Nachtgespräche“ (Kardinal Carlo M. Martini, Georg Sporschill, Jerusalemer Nachtgespräche. Über das Risiko des Glaubens, Freiburg 2008)
Das Gespräch der beiden Jesuiten ist ungewöhnlich, denn es geht nicht von dem aus, was sie selbst wissen und glauben, und was sie Jugendlichen sagen und empfehlen wollen. Im Gegenteil: Beide sind davon überzeugt, dass junge Menschen mit ihren Fragen Erwachsene auf neue Wege des Denkens und Glaubens bringen können. Die Fragen der Jugendlichen an die beiden sind direkt und konkret: Was macht wahre Liebe aus? Welches ist die wichtigste Verhaltensregel im menschlichen Miteinander? Wieso haben manche Menschen ein schönes Leben und andere nicht? Woher kommt das Böse? Wieso gibt es soviel Leid? Und dann auch persönlich an Martini, den Kardinal, und Sporschill den Priester und Sozialarbeiter: Gibt es Momente, in denen Sie mit Gott hadern? Warum glauben Sie an Gott. Und wie erfahren Sie ihn?
Die Einladung an Jugendliche, Fragen zu stellen, kann Taktik sein. So schafft man günstige Voraussetzungen dafür, sie zu belehren und ihnen zu sagen, was man ihnen schon immer sagen wollte. Die Einladung, Fragen zu stellen, kann aber auch uneigennützig sein, Ausdruck des Vertrauens, mit dem Ziel, dass Jugendliche ihre eigenen Fragen aufspüren, und die Fragen entdecken, die ihnen das Leben stellt.
Die beiden Jesuiten meinen die Einladung ehrlich. Sie möchten wirklich wissen, was die Jugendlichen bewegt. Und sie begegnen ihnen mit Respekt und Vertrauen. Dabei kommen sie auch selber zu einer neuen Einsicht: „Wir können Jugendliche nichts lehren, wir können ihnen nur helfen, auf den inneren Meister zu hören. Wir können nur Bedingungen schaffen, unter denen ein Jugendlicher verstehen kann. Das Verstehen, die Einsicht selbst muss ihm von innen her gegeben werden.“ (67)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5618
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