SWR2 Wort zum Tag

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Die Diskussionen um die Pius-Bruderschaft in den letzten Wochen ließen einen Gedenktag in den Hintergrund treten, der es wert ist, ihn nachträglich nochmals zu erwähnen: der 100. Geburtstag von Dom Helder Câmara, dem unvergesslichen Erzbischof von Recife im Nordosten Brasiliens. Am 7. Februar 1909 wurde er geboren. Von 1964 bis 1989 war er Bischof für die Menschen einer der besonders armen Regionen seines Landes.
Helder Câmara war Bischof in den schlimmen Jahren einer Militärdiktatur, die von 1964 an 20 Jahre lang mit brutaler Gewalt gegen alle vorging, die sich ihrer Herrschaft in den Weg stellten. Was ihn zum Widerstand bewegte, war sein Glaube, seine Vorstellung von Gott, die einfach ist und leicht zu verstehen: „Wir lesen in der Bibel – so sagt er immer wieder - dass Gott das Schreien seines Volkes gehört hat, als es in Ägypten in der Knechtschaft lebte. Gott ist kein toter Gott und deshalb wissen wir, dass er auch heute das Schreien der Menschen hört. Er offenbart sich weiter in den Ereignissen unseres Lebens“.
Heute, in der weltweit gewordenen Banken- und Wirtschaftskrise, hören wir mit anderen Ohren, was Helder Câmara vor Jahrzehnten schon beschäftigt hat. Erschüttert vom Ausmaß des Elends der Menschen in seinem Land, hat er immer wieder gesagt, in den Strukturen der Wirtschaft und des Staates habe sich die Sünde des Egoismus und der Korruption, der Unterdrückung und Ausbeutung verfestigt. Wer die Sünde überwinden will, muss also auch sündige Strukturen politisch verändern.
Helder Câmara nahm am zweiten vatikanischen Konzil teil. Dort suchte er unter seinen Kollegen vor allem Mitstreiter für die Bevorzugung der Armen, für eine Kirche der kleinen Gemeinden, an der Basis, nahe bei den Menschen. Alle und gerade die einfachen Menschen sollten in den Gemeinden mit ihren konkreten Nöten zu Wort kommen, weil Gott sie in seiner Liebe bevorzugt und weil es Gottes erstes Gebot ist, die einfachen Menschen zu bevorzugen.
Helder Câmara hat viele seiner Kollegen in ganz Lateinamerika überzeugt, Ordensleute, Studierende, Gewerkschafter und Politiker. Ihrem Einsatz ist zu verdanken, dass Brasilien seit Mitte der 80er Jahre wieder zu einem demokratischen, weniger ungerechten System gefunden hat. Manche haben diesen Einsatz mit dem Leben bezahlt.
„Eine Kirche, die nicht den Menschen dient, dient zu nichts“. Im Streit um den Weg der Kirche heute kann Dom Helder Câmara zur verlässlichen, weil vom biblischen Zeugnis inspirierten, Orientierung werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5617
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