SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Ich glaube nicht an Gott“. Das schreibt mir ein Hörer. Und erzählt mir seine Geschichte. Erzählt von seinem Vater, der die Kinder schlägt, wenn sie die Ruhe am Frühstückstisch stören, erzählt von den Eltern, die ihre Kinder zum Abendgebet zwingen, erzählt von einer Erziehung, die nur die Angst kennt. Der Mann, der mir schreibt, berichtet, dass er später schwer krank wird. „Ich habe mein Gleichgewicht verloren,“ sagt er – und ich lese aus diesem Satz, dass da jemand sein inneres Gleichgewicht verloren hat, seine eigene Balance, seine Mitte. Und dann schreibt dieser Mann: „Ich habe mich nicht unterkriegen lassen, aber eigentlich habe ich den Glauben an das Gute, an die Liebe, an das Göttliche verloren“.
Der Brief hat mich nicht losgelassen. Die schlimmen Erfahrungen gehen mir nahe. Aber ich merke auch: Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Ich durfte Gott als guten Gott erleben. Vor allem bei Jesus mache ich diese Erfahrung. Denn Jesus macht immer wieder Menschen heil – an Geist und Körper. Er geht zu Kranken, macht sie gesund und lässt sie wieder eins werden mit sich selbst. Jesus kann Menschen offenbar so ansprechen, dass sie wieder aufleben, dass es ihnen wieder gut geht. Seine Heilungen sind weniger Wunder, sie sind vor allem Geschichten von Gott: Jesus zeigt, dass sein Gott ein Gott ist, der sich den Menschen zuwendet. Ein Gott, dem es um das Wohl-sein des Menschen geht.
Doch ganz so einfach ist das nicht. Ich erlebe auch das, was mir der Hörer schreibt: Unsere Welt ist nicht heil und gesund. Es gibt Ungerechtigkeit und bleibende Krankheit. Es gibt Menschen, die reden schön, tun aber anderes. Es gibt Betrug und Gewalt. Und es gibt Menschen, die zwar viel vom Glauben reden, aber ihn nicht leben. Kurz: Es gibt genug Gründe, den Glauben an einen guten Gott zu verlieren.
Ich habe aber auch andere Erfahrungen gemacht, Erfahrungen mit guten Menschen, Menschen, die anderen Gutes wollen und sich für andere einsetzen. Menschen, die mir durch ihr Leben und Handeln den guten Gott nahe gebracht haben. Diese Erfahrungen sind ein Geschenk. Ich kann da nichts für. Aber ich bin froh und dankbar für diese Erfahrungen. Und deshalb mühe ich mich, dass auch andere an meinem Leben und Handeln etwas von diesem guten Gott erfahren können. Von einem Gott, dem es um das Wohl-sein der Menschen geht. Und ich hoffe, dass auch durch mich Menschen den Glauben an das Gute, an die Liebe behalten. Oder Geschmack daran bekommen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5531
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