SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Eine große Holztheke, ein paar lange Tische. Musik von Led Zeppelin. Zwei Hunde wuseln durch den verqualmten Raum. Hier fühlt sich Kai wohl. Der 47jährige kommt jeden Tag. Während er seinen Kaffee trinkt, packen die anderen Gäste gerade ihren Alkohol aus: Bier in Plastikflaschen, Weißwein in Tetrapaks. Nur nichts Hochprozentiges. Das ist verboten.
Früher saßen sie im Park um die Ecke, manchmal auf der Bank am Kinderspielplatz. Kneipen sind zu teuer. Immer gab es Ärger, böse Blicke, Rufe nach der Polizei. Dann hat die Stadt Kiel diesen Raum finanziert. Kai nennt ihn humorvoll „Saufraum“. Hinter der Theke gibt es 1,- Euro Jobs. Auch Kai arbeitet da ab und zu und schenkt Alkoholfreies aus. Wer Alkohol will, muß ihn selber mitbringen. „Durch die Arbeit hinter der Theke bin ich ruhiger geworden“, sagt Kai, „wenn man mit so vielen Menschen zu tun hat, dann ist man gezwungen, sich auf sie einzulassen und sie so zu akzeptieren, wie sie sind. Ganz unterschiedliche Menschen sitzen hier friedlich miteinander am Tisch, erzählt Kai. „Das Beste an dem Raum hier ist, dass wir jetzt etwas Eigenes haben, wo uns keiner verjagen kann.“
Der Trinkraum ist täglich geöffnet. Nach mittlerweile fünf Jahren zieht Geschäftsführer Jochen Schulz Bilanz: "Die Erfahrungen sind sehr positiv. Das merken wir auch daran, dass immer mehr Leute nach Beschäftigung nachfragen, die wir ihnen auch mitunter bieten können. Es werden auch die Mitarbeiter unterstützt, wenn es mal zu Reibereien kommt." Der "Saufraum" ist nämlich nicht nur ein gemeinsamer Treffpunkt für Trinker, sondern es gibt dort auch eine warme Mahlzeit, eine Dusche, Schuldenberatung und Hilfe bei der Wohnungs- und Arbeitssuche.
Mein erster Gedanke beim Stichwort „Saufraum“ war: Das fehlte gerade noch. Aber dann habe ich mich daran erinnert, dass Jesus alle Menschen angenommen hat, so wie sie sind, gerade auch die Kranken und Aussätzigen. Jetzt glaube ich: mit dem „Saufraum“ hatte die Stadt Kiel eine richtig gute Idee.
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