SWR2 Wort zum Tag

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Zwei Kutscher, die mit ihren voll beladenen Eselskarren unterwegs waren, blieben im Schlamm stecken. Die Räder sanken im Morast ein. Es gab kein Vorwärtskommen mehr und kein Zurück. Da fiel der eine der beiden Lastkutscher auf die Knie und begann, Gott zu bitten, ihm doch zu helfen. Er murmelte, schrie, flehte und betete – und blieb dabei, die Hände gefaltet und untätig gen Himmel gereckt, die ganze Zeit neben seinem festge-fahrenen Karren knien.
Der andere ärgerte sich über das Missgeschick und machte seiner Wut kräftig Luft. Er fluchte laut, krempelte die Ärmel hoch, spuckte auf den Boden und mühte sich mit aller Kraft, den Wagen aus dem Dreck zu ziehen. Er las Äste und Zweige zusammen, um den eingesunkenen Rädern einen Halt im Schlamm zu bieten. Er feuerte seinen Zugesel an, schlug auf ihn ein, stemmte sich gegen den Wagen, schob, zog – und schimpfte und fluchte in einem fort – während der erste unermüdlich seine Gebetslitanei murmelte.
Dann geschah etwas Überraschendes: Ein Engel stieg aus dem Himmel herab und kam dem Kutscher zu Hilfe, der sich so verzweifelt mit seinem Karren abmühte. Der aber war ganz verwirrt und sagte zu dem Engel: „Halt! Das ist ein Irrtum! Der dort drüben hat dich gerufen. Nicht ich! Ihm musst du helfen!“ Doch der Engel entgegnete ruhig und mit einem Lächeln: „Nein! Du brauchst Hilfe – sonst arbeitest du ja ganz umsonst.“
Soweit die kleine Geschichte des südamerikanischen Theologen Dom Helder Camara. Ich möchte aus ihr nicht den Schluss ziehen, es sei richtig und Erfolg versprechend zu flu-chen. Ich will auch nicht umgekehrt schlussfolgern, es sei sinnlos zu beten. Beten oder Handeln? Eine so alte wie falsche Alternative!
Dass diese Alternative falsch ist, zeigt Camara gerade nicht durch die Gegenüberstellung der beiden Kutscher, sondern er zeigt es an der Figur des ersten der beiden: Der legt die Hände in den Schoß und überlässt das Handeln Gott. Er unterbricht den natürlichen Er-eigniszusammenhang und wartet auf Gottes übernatürliches Eingreifen. Damit ist die Al-ternative „Beten contra Handeln“ eröffnet.
Der andere Kutscher unternimmt das, was ihm in der konkreten Situation notwendig er-scheint: Er rackert sich ab. Gott jedoch versteht dessen Mühen als eine Form des Betens und will den unglücklichen Kutscher in seiner Misere nicht sich selbst überlassen. Er lässt sich dessen Arbeit zum Gebet werden.
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