SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wer bin ich? Heute der und morgen ein Anderer? Je nach Rolle, je nach Verkleidung? Je nachdem, wie ich mich in Szene setze, wie ich mich inszeniere -
in der Familie, im Beruf, im Verein?
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Mal der Narr, mal der Ernste,
mal ganz der Selbstbewusste, mal der ganz von Selbstzweifeln hin- und hergetriebene? Wer bin ich?

Die bohrenden Fragen nach der eigenen Identität kommen zu keinem Ende.
Und meine Antworten befriedigen mich auch nicht wirklich.
Sie sind immer wieder neu mit Fragezeichen behaftet. Bin ich wirklich der?

Dietrich Bonhoeffer hat solche Zweifel verspürt und ist ihnen nachgegangen in allen Facetten – in seinem Gedicht „Wer bin ich?“ Es mündet in der vorletzten Zeile in die Einsicht:
„Einsames Fragen treibt mit mir Spott.“
Bonhoeffer hat entdeckt, wie die Frage „Wer bin ich?“ ihn vereinsamt, ihn isoliert, ihn nicht weiter führt, ja mit ihm Spott treibt, wie er schreibt.
Und so schließt sein Gedicht – wie ein Widerruf auf sein Suchen und Fragen:

„Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“

Diese Antwort beendet sein „einsames Fragen“. Darum wissen, zu Gott zu gehören, das befreit ihn aus der Isolation der Frage „Wer bin ich?“
Nicht Selbsterkenntnis klärt ihn über sein Leben auf, sondern eine Zugehörigkeit: „Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“
Diese Antwort gibt seiner Existenz einen Ort, einen Anhalt.
Bonhoeffers erlösender Antwort - „Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“ - geht im Grunde eine andere Frage voraus. Es ist die Frage Gottes an Adam, der sich im Garten Eden aus Scham versteckt. „Mensch, wo bist Du? (1. Mose 3,9)

Mensch, wo bist du? Mich befreit diese Frage von Spekulationen darüber, wer ich bin.
In einem einzigen Wort wird mir zugesagt:
Du bist ein Mensch, mein Geschöpf, ein irdisches Wesen. Wer du bist, darüber musst du dir nicht den Kopf zerbrechen. Aber das ist die Frage an Dich: „Mensch, wo bist du?“ (1. Mose 3,9) Läufst du vor deinem Schöpfer fort? Mit wem teilst du dein Leben und mit wem nicht? Mit wem sitzt du zu Tisch? Und an wem gehst du vorüber?
Die Frage „Mensch. wo bist du?“ stiftet Beziehung. Sie fragt nach Freundschaft und Solidarität. Keine einfache Frage, gewiss. Aber sie klärt meinen Lebens-Ort immer wieder neu. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5501
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