SWR2 Wort zum Tag

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Heftig wurde und wird über den Krieg zwischen Hamas und Israel gestritten.
Wie groß ist hierzulande die Beachtung für alles, was in Israel und Palästina geschieht! Ob Terror, ob Krieg oder Wahlen. Das ist verständlich. Denn eng verwoben ist die Geschichte Israels mit den dunkelsten Kapiteln der deutschen Vergangenheit - den Verbrechen der Deutschen an Jüdinnen und Juden. Israel wird in Deutschland gereizt wahrgenommen – geschichtlich und religiös aufgeladen. Geschichtliche Schuld und religiöse Verklärung verbinden sich, weshalb viele gar nicht von Israel als Staat, sondern generell vom „Heiligen Land“ sprechen.

Ich habe den Eindruck, Schuld und religiöse Überhöhung belasten unser Verhältnis zum Staat Israel immens. Zum Nachteil Israels. Hoch emotional reagieren viele hierzulande auf alles, was in Israel/Palästina geschieht. Entweder: Himmel hoch jauchzend wird alles in Israel beschönigt. Oder: enttäuscht und zu Tode betrübt wird Israel mit ätzender Kritik übersät. Mal wird Israel zur makellosen Demokratie verklärt, mal wird Israel als Kriegstreiber- und Unrechtsstaat auf die Anklagebank gesetzt.
Für mich ist das emotional maßlos. Das Gegenteil wäre das Beste für Israel und seine Nachbarn - und unser Verhältnis zu beiden: nämlich maßvoll und ohne Übertreibung - getreu der Mahnung aus dem Petrusbrief - „Seid nüchtern und wacht!“ (1.Petr 5,8) – die Vorgänge in Israel und seinen Nachbarländern nüchtern und wachsam beachten und begleiten. Was befördert den Frieden? Wo werden Menschenrechte und Demokratie geachtet?

Wo Kritik am Staat Israel als Israelfeindlich unter Generalverdacht gestellt wird – da lohnt es sich auf die Worte eines untrüglichen Liebhabers Israels zu hören. Der Berliner Theologe Friedrich-Wilhelm Marquardt schrieb zum 50.ten Jahrestag des Staates Israel: „Nicht verbiete ich mir oder anderen offen Kritik an Israels Politik; ein entsprechendes Munkeln (»Man darf ja nicht, als Deutscher...!“) schürt Neonazismus und ist auch geheuchelte Moral.“ (Mein Israel, Frankfurt 1997, S. 44).

Das sehe ich auch heute - 10 Jahre später - nicht anders: Wer Kritik unterdrückt, befördert den Eindruck, als müsse man Israel als Staat vor einer nüchternen Kritik schützen. Israel ist Kritik würdig und Kritik fähig und braucht keinen Vergleich mit anderen Staaten scheuen. Israel braucht keine christlich religiöse Legitimation. Als ein Freund dieses Staates - hoffe und wünsche ich aber auch - dass Israels Demokratie hierzulande beachtet und wertgeschätzt wird - und auf andere Staaten in der Region ausstrahlen möge – und so einem Nebeneinander in Frieden dient.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5500
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