SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Wenn ein Mensch aus dem Mittelalter heute in eine deutsche Großstadt käme. Wie wäre das wohl für ihn? Wär er fasziniert oder in blanker Panik? Wenn er zum Beispiel all die rollenden Kisten sähe, die sich ohne Pferde fortbewegen, wie von Geisterhand betrieben. Und die vielen kleinen Boxen aus denen heraus Stimmen oder Musik kommen. Oder all die Menschen, die in den Häusern starr vor einer leuchtenden Tafel sitzen oder auf der Strasse mit einer Hand am Ohr laut vor sich hinquasseln. Ja es ist schon so irre wie faszinierend, welche technische Hilfsmittel wir so alle haben. Unser Alltag ist voll von ihnen. Fernseher, Radio, Computer und Handy sind zu Prothesen des Menschen geworden. Künstliche Sinnesorgane, die unsere Welt erweitern. Soziale Krücken, die die direkte Kommunikation immer wieder auch ersetzen. Uns überall erreichbar machen, uns aber auch isolieren. Ich will das gar nicht verteufeln. Was ich aber bedenkenswert finde ist, dass die durchschnittliche Mediennutzung heute bei täglich 9 Stunden liegt! Durchschnittlich, das heißt, manche Menschen nutzen Radio, Fernsehen und Computer nur 1-2 Stunden, andere aber 10, 12, ja manche jungen Leute bis zu 14 Stunden am Tag! Wo bleibt da das eigene, direkte, selbst gelebte Leben? Ich bin nun wirklich kein Feind der Medien. Aber durchschnittlich 4 Stunden Fernsehen, 3 Stunden Radio und 2 Stunden Computer pro Tag. Das erscheint mir schon ziemlich viel.
Und wenn es mir selbst, meine eigene Mediennutzung zu viel wird, dann verordne ich mir „mediale Nacktheit“. Das Radio aus. Das Fernsehen nicht ein. Keine e-mails und kein Handy. Ich geh’ in die Natur und möglichst so weit weg, dass ich Autos nicht mal hören kann. Oder ich gehe in die Kirche, wo ich auch die Uhr ablege. Damit ich nur Mensch bin, ohne technische Hilfs- uns Ablenkungsmittel. Und so wieder ein Stück mehr ganz Mensch werde, so wie Gott mich geschaffen hat. Mit inneren Antennen nach oben, wenn die äußeren ausgeschaltet sind.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5455
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