Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Nicht mit Gewalt, sondern mit dem Wort.“ So lautete das Lebensmotto Martin Luthers. Kein Wunder also, dass er im Laufe seines Lebens unglaublich viel geschrieben hat. Wenn man auf das Wort setzt, dann können schon einige Wörter zusammen kommen. Predigten, Briefe, Abhandlungen, Gutachten und vieles mehr. Heute sind Luthers Werke in unzähligen dicken Büchern gesammelt und füllen viele Regale.

Sein letztes Werk schreibt er zwei Tage vor seinem Tod. Es fällt allerdings aus der Reihe seiner anderen Schriften heraus. Denn es ist nichts weiter als ein kleiner Zettel.
Luther schreibt da:

Wer Vergil verstehen will – der über Landwirtschaft geschrieben hat – der muss mindestens fünf Jahre Bauer gewesen sein.
Wer Cicero verstehen will – der über Politik geschrieben hat – der muss mindestens zwanzig Jahre Politiker gewesen sein.
Und wer die Bibel verstehen will – der muss mindestens hundert Jahre Christ gewesen sein.

Hundert Jahre – das ist damals wie heute eigentlich nicht zu schaffen. Hundert Jahre heißt: mit der Bibel und dem Glauben bist Du nie fertig, solange du lebst. Den Glauben bekommst du in einem Menschenleben komplett gar nicht unter. Bild’ Dir nur nicht ein, dass Du die Weisheit mit Löffeln gegessen hättest und irgendwann alles wissen und verstehen würdest. Du tust und machst – und wirst am Ende ganz leise und bescheiden. Und so schreibt Luther ganz unten auf seinen Zettel noch dazu: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“

Bettler - das schreibt derselbe Martin Luther, der die Welt verändert hat. Derselbe Mensch, der immer wieder Grenzen überwunden und Tore zu neuen Möglichkeiten aufgestoßen hat. Auf seine alten Tage aber spürt er: ich stoße an Grenzen, die ich akzeptieren muss. Mein Leben ist Stückwerk. Vor Gott stehe ich mit leeren Händen da. Am Ende kann ich nur hoffen, dass Gott mir Bettler die Hände füllt.

Heute ist Luthers Todestag. Mit seinem letzten Zettel ist er gestorben. Seine Botschaft lautet: Mensch, nimm dich selbst nicht so wichtig. Solange du lebst, bist du erst auf dem Weg.
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