SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Heute vor 61 Jahren ist er ermordet worden, am 30. Januar 1948. Beinahe 80 war Mahatma Gandhi da schon. Er wurde ermordet von einem fundamentalistischen Anhänger seiner eigenen Religion. Ein Jahr zuvor war sein Indien unabhängig geworden. Gandhi hatte lange Jahre dafür gekämpft, gewaltfrei. Ich glaube, er ist einer der wichtigsten Menschen des 20. Jahrhunderts für heute.
Schon sein gewaltsamer Tod durch einen religiösen Fanatiker belegt, wie aktuell er ist. Gewaltsame Konflikte, religiös unterfüttert, sind heute genauso ungelöst wie damals. Im Gegenteil. Liegt das auch daran, dass zu wenige seinen Weg der Gewaltfreiheit weiter gegangen sind? Vielleicht auch zu wenige Christen? Diese Frage hat Gandhi selbst gestellt.
Er kannte die Bibel sehr gut, vor allem Jesus hat ihn fasziniert und die Bergpredigt. Einmal hat Gandhi über sein Verhältnis zum Christentum gesagt:
„Wenn da nur die Bergpredigt …..wäre, würde ich nicht zögern zu sagen:
‚O ja, ich bin ein Christ.’ Leider ist aber viel, was unter dem Namen Christentum läuft, eine Negation der Bergpredigt."
Gandhi hat den Bergprediger Jesus als seinen Bruder im Geist verstanden. Jesu Weg der Feindesliebe hat er mit seinen hinduistisch geprägten Gedanken vom „Weg der Einfachheit und Wahrheit“ verbunden. Ganz wichtig war für ihn der Satz Jesu: "Ich aber sage euch, dass ihr dem Übel nicht widerstehen sollt; sondern wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete auch die andere dar.“
Gandhi verstand das als aktive Feindesliebe. Jesus kämpfte gegen die römischen Soldaten nicht mit Gewalt, aber er ergab sich auch nicht als passives Opfer, sondern selbstbewusst hat er Gewalt als Gewalt demaskiert. Mit ähnlicher Haltung hat Gandhi Widerstand geleistet gegen die britische Besatzung Indiens. Gewaltfrei, aber nicht duckmäuserisch. Selbstbewusst und aufrecht, bereit Unrecht auszuhalten, immer mit dem Ziel, dass Gewalt überwunden wird.
Beide- Jesus und Gandhi- waren überzeugt, eine Seite muss den Gewaltkreislauf unterbrechen, wenn es überhaupt eine Chance geben soll, ihn zu beenden. Diesen Gedanken finde ich eine Zumutung. Aber eine bestechende. Vielleicht haben wir ihn in den letzten Jahren zu sehr aus den Augen verloren. In den Konflikten auf dem Balkan, im Nahen Osten und in Afghanistan. Gerade wir im christlich geprägten Westen haben ihn vergessen. Vielleicht ist es Zeit, sich an Gandhi zu erinnern, 61 Jahre nach seinem Tod. Und an den Bergprediger Jesus.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5346
weiterlesen...