SWR2 Wort zum Tag

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In einer relativ kurzen Zeit hat er innerlich einen sehr weiten Weg zurückgelegt: „vom Theologen zum Christen und vom Christen zum Zeitgenossen“ . Mit diesen Worten ist der Theologe Dietrich Bonhoeffer gekennzeichnet worden von seinem Freund Eberhard Bethge. Heute wäre Dietrich Bonhoeffer 103 Jahre alt geworden. Gestorben ist er mit 39. Am 9.April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet. Vom Theologen zum Christen und vom Christen zum Zeitgenossen. Bonhoeffer, 1906 in Breslau geboren, hat evangelische Theologie studiert, war Studentenpfarrer in Berlin und Auslandspfarrer in London, lehrte in New York, war beratendes Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen, leitete ab 1935 das Predigerseminar der Bekennenden Kirche in Finkenwalde. Trotz Redeverbots 1940 und Schreibverbots 1941 setzte er seine wissenschaftliche Arbeit fort. Bonhoeffer schloß sich der Widerstandsbewegung an, versuchte durch Kontakte mit dem Bischof von Chichester die Bedingungen für eine ehrenhafte Kapitulation in Erfahrung zu bringen, allerdings ohne Erfolg. Im April 1943 wurde er verhaftet.
Mich beeindruckt in Bonhoeffers Leben vor allem sein Bemühen, zugleich Christ und Zeitgenosse zu sein. Zeitgenosse sein ist für ihn immer mehr ein wesentliches Element des Christseins geworden. Gott ist nicht zu erreichen auf dem Wege der Weltflucht. Wer sich von der Welt fernhält, findet „nie Gottes Welt, die in dieser Welt anbricht“ schreibt er 1932. Nähe zur Welt verwirklicht sich für ihn dabei nicht nur in caritativem Handeln, , nicht nur im Helfen und „Wunden verbinden“. So kommt er etwa 1940 zu der provozierenden Frage: “...hat die Kirche nur die Opfer aufzulesen oder muß sie dem Rad selbst in die Speichen greifen?“ (Ethik 342) Er selber hat sich dafür entschieden, „dem Rad in die Speichen zu greifen“ und sich der Widerstandsbewegung angeschlossen. Dahinter stand der Gedanke, dass ein Christ sich auch die Finger schmutzig machen muß, dass er sogar verzichten muß auf die Ruhe eines guten Gewissens. Wer Christ ist, kann sich nicht auf Prinzipien zurückziehen. Und so schreibt er im Gefängnis: „Ich dachte, ich könnte glauben lernen, indem ich selber so etwas wie ein heiliges Leben zu führen versuchte... Später erfuhr ich es und erfahre es bis zur Stunde, dass man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt."

vgl.: O Dudzus, Bonhoeffer-Auswahl Bd1 1, Gütersloh 1982, 16
vgl.: Ernst Feil, Dietrich Bonhoeffer – Widerstand und Ergebung.
In: G.Fuchs, Glaube als Widerstandskraft. Frankfurt 1986, 185
vgl. ebda


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