SWR4 Abendgedanken RP

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„Vertraut den neuen Wegen“ heißt es in einem unserer Kirchenlieder zum neuen Jahr. Wie können solche neue Wege aussehen? Zu welchen Aufbrüchen und Neuanfängen lädt Gott bisweilen Menschen ein?

Teil
„Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Dieses Lied von Dietrich Bonhoeffer singen wir in Winzenheim immer am Silvesterabend. Es hilft uns, das vergangene Jahr in Gottes Hand zu legen. Am ersten Tag im Neuen Jahr wendet sich dann unser Blick nach vorn. Dann singen wir das Kirchenlied „Vertraut den neuen Wegen“. Damit machen wir uns Mut, alles anzunehmen, was ein neues Jahr bringen wird.
Und da singen dann die Zufriedenen, die darauf hoffen, dass alles so weiterläuft wie bisher und die keine Veränderung erwarten.
Da singen die, die noch gar nicht wissen, wie es weitergehen wird, weil – zum Beispiel - Krankheit ihr Leben bestimmt.
Da singen die, die um ihren Arbeitsplatz fürchten. Und da singen auch diejenigen, die jetzt schon genau wissen: 2009 wird alles anders.
Ganz verschiedene Menschen, und doch haben sie eines gemeinsam: In allen ist eine ganz persönliche Hoffnung, wenn sie die letzte Liedstrophe singen: „Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt! Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land. Wer aufbricht, der kann hoffen, in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“
Lena, zum Beispiel ist 15 Jahre alt, verlässt in diesem Jahr die Schule und bricht in einen neuen Lebensabschnitt auf.

Ich gehe auf die Alfred-Delp-Schule in Hargesheim, in die 10f also Realschule und ich bin im Sommer 2009 fertig und beginne dann eine Ausbildung als Krankenschwester.

Und sie tut das trotz all ihrem Optimismus mit durchaus gemischten Gefühlen.

Auf der einen Seite bin ich da traurig drüber, dass ich meine Klasse und so nicht mehr sehe, das ist ja auch eine Umstellung mit dem Beruf und so. Für mich ist das ein sehr beruhigendes Gefühl, dass ich jetzt eine Ausbildungsstelle bekommen hab, weil es einfach etwas neues ist, weil man jetzt einen neuen Lebensabschnitt hat und sich keine Gedanken mehr machen muss.
Lena brauchte nicht lange überlegen, wie sie einmal arbeiten möchte. Sie möchte mit dem, was sie tut, anderen Menschen helfen. Das war schon immer ihr Berufswunsch. Sie freut sich darauf, ahnt aber auch, dass es dabei schwere Tage geben wird. Doch ihr Vertrauen ist groß, dass Gott sie auf diesem Weg in einen neuen Lebensabschnitt begleiten wird und versteht ihren Beruf auch als einen Auftrag.

Also, ich helfe ja den Kranken und Jesus sagt das ja, und da fühlt man sich auch erleichtert. Man arbeitet ja mit dem Glauben, man hat Jesus immer im Kopf; man lebt das ja mit den Händen, was Jesus sagt.

So möchte sie ihren Beruf als Krankenschwester verstehen – als gelebten Glauben, von Jesus begleitet. Lena steht dabei ganz am Anfang ihres neuen Weges. Und so wie sie wagen in diesem Jahr ganz viele andere junge Menschen ebenfalls ihren Neubeginn. Aber auch im Alter machen sich Menschen noch einmal neu auf, aus ganz anderen Gründen.

Teil SWR 4
Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist! – Hätte es dieses Lied aus dem Kirchengesangbuch schon vor dreitausend Jahren gegeben, der alte Abraham hätte es sicher gesungen. Brich auf, hat Gott ihm gesagt, verlass dein Vaterhaus. Geh in ein Land, das ich dir zeigen werde. Im Alter noch einmal alles steh’n und liegen lassen, daran hätte Abraham niemals von allein gedacht. Und dass seine Frau sogar im Alter noch ein Kind bekommen sollte, darüber musste er – so erzählt es die Bibel - laut und herzlich lachen. Und doch kam es so.
Ein Kind lässt auch Vera Brandt in ihrem Ruhestand noch einmal neu aufbrechen. Vor drei Jahren zog sie aus der Großstadt Berlin aufs Dorf, in unsere Kirchengemeinde Winzenheim bei Bad Kreuznach. Hier wollte sie ihren Lebensabend verbringen. Doch jetzt wird sie Winzenheim wieder verlassen. Warum?

Meine Tochter hat im September ein Baby bekommen und nun möchte ich auch ein bisschen mitbekommen, wie mein Enkelkind groß wird, sie etwas begleiten und meine Tochter auch ein bisschen unterstützen, soweit ich es noch kann.

Und deshalb zieht sie in der nächsten Zeit wieder in eine Großstadt - nach München, in die Nähe zu ihrem Enkelkind. Sie geht obwohl sie sich in Winzenheim sehr wohl fühlt. Sie hat hier Heimat gefunden, in ihrer Kirchengemeinde und in ihrem Glauben. Sie hat sich hier für andere engagiert, hat das Gemeindemittagessen gekocht, viele Freunde gefunden. Eigentlich könnte alles so bleiben, wie es ist. Wenn da nicht die innere Unruhe und die Liebe zur Familie in ihr wäre.
Natürlich ist ihr dabei auch nicht ganz wohl, denn ein Aufbruch, ein Neubeginn im Alter ist immer auch ein Wagnis. Aber sie kann und will dieses Wagnis eingehen, weil sie viel Trost und Hilfe in ihrem Glauben an Gott findet.

Ja, also ich habe das schon, dass ich sage: Lieber Gott hilf mir, es ist ein großer Schritt, denn ich jetzt wage. Gut, ich folge meinem Herzen, das stimmt schon. Aber ich frag mich oft abends und sage: Mensch, lieber Gott, hilf mir, das alles zu überstehen.

Trotz aller Fragen und Selbstzweifel wird sie also gehen. Und sie kann es, weil sie hier in Winzenheim immer wieder erfahren hat: Gott geht all ihre Wege mit. Und so vertraut sie auch darauf, dass Gott in München schon auf sie wartet. Denn eines wird sie auf jeden Fall machen:

Ich werde dort auch in die Kirche gehen, auf jeden Fall, was ich ja in Berlin überhaupt nicht hatte. Aber das werde ich mitnehmen. Ich werde dort auch ein bisschen Fuß fassen, hoffe ich, und auch in die Kirche gehen und meinen Glauben so weiter führen, wie ich das hier auch gemacht habe - also dass auf jeden Fall!

Vertraut den neuen Wegen. Über jemanden, den dieses Lied viele Jahre durch seine Arbeit begleitet hat und der nun darauf vertrauen muss, dass es wahr ist, was er so oft gesungen hat, wird es gleich im dritten Teil gehen.

Teil 3
Vertraut den neuen Wegen, die Gott der Herr uns weist. So heißt es in einem Lied in unserem Gesangbuch. Es erinnert daran, dass Gott schon immer Menschen in seinen Dienst genommen hat. sogar die, die ihm gar nicht folgen wollten. Wie zum Beispiel der Prophet Jona, der vom Walfisch verschluckt wurde und der endlich dort ankam, wohin Gott ihn geschickt hat. Oder wie zum Beispiel ein Saulus, der zuerst Christen verfolgte und dann nach seiner Bekehrung als Paulus zu ihrem eifrigsten Missionar wurde.
Keine biblische Gestalt, aber doch ein Mensch, der sich in besonderer Weise von Gott in Anspruch hat nehmen lassen, ist Hartmut Eigemann. Seit 1973 ist er im Pfarrdienst und seit 1988 leitet er als Superintendent den evangelischen Kirchenkreis An Nahe und Glan.

Angefangen habe ich einige Jahre als der jüngste Superintendent der Rheinischen Kirche und bin seit sechs Jahren schon der dienstälteste. Bei einer Fortbildung für Superintendenten ist das besonders anschaulich geworden. Da sollten wir uns aufstellen nach unseren Dienstjahren und ich stand dann einsam entfernt in einer Ecke und dann kam lange Jahre nichts.

Als Superintendent hat er Synoden geleitet, Kolleginnen und Kollegenordiniert und eingeführt. Er war Seelsorger und Dienstherr für alle Pfarrerinnen und Pfarrer seines Kirchenkreises. Und so ganz nebenbei aber mit ganzen Herzen – war er auch noch 27 Jahre Pfarrer in Bad Sobernheim. Damit ist nun in diesem Jahr Schluss. Mit seiner Frau bricht er seine Zelte hier ab.

Es geht jedenfalls weg aus dieser wunderschönen Gegend, weil meine Kinder sich überall auf die Bundesrepublik verteilen und wir werden in den Norden ziehen.
Von dort wird er dann mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf seinen Dienst zurückschauen.

Das weinende wird sein, dass man natürlich Dinge, die man gerne gemacht hat, nicht weiter begleiten kann, aber mir ist immer deutlich gewesen, dass das Aufgaben sind, die mir auf Zeit übertragen werden und diese Zeit auch irgendwann einmal endet.

Das lachende Auge schaut auf eine über ganz Deutschland verstreute Familie und auf das Enkelkind, dem jetzt mehr Aufmerksamkeit zukommen wird. Und auch ein neues Hobby zeichnet sich für den Ruhestand schon ab:

Ein Hobby wird anstehen müssen. Ich muss mich einfinden, dass ich meine e-mails lesen und selbst verschicken kann. Das kann ich immer noch nicht.

Vertraut den neuen Wegen. Dieses Lied begleitet Hartmut Eigemann in seinem Dienst als Pfarrer. In den letzten Jahren sogar besonders. „Die Zukunft ist sein Land“ so heißt es in der letzten Strophe. Und dies ist auch der Titel eines Konzeptpapieres, das für den Umbau der Kirchengemeinden in den kommenden Jahren gilt. So hat er es oft singen und zitieren müssen. Kann er es eigentlich noch hören?

Ich mag dieses Lied ehrlich gesagt nicht, weil ich zu sehr darunter leide, wie sehr wir an den alten Wegen festkleben. Aber als Verheißung brauchen wir solche Sätze, denn in der Tat, unsere Zukunft liegt nicht in uns selbst. Wir sind auf einem neuen Weg, nicht weil wir ihn gehen würden, sondern weil Gott ihn für uns bereithält.https://www.kirche-im-swr.de/?m=5324
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