SWR2 Wort zum Tag

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„Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig!“ (2. Kor. 12,9) Ich bin so froh über dieses Bibelwort. Denn ich höre bei vielen Gelegenheiten das Gegenteil. Da heißt es dann: „Seht her, wie stark und mächtig wir sind“. Besonders laut wird so bei den vielen politischen und wirtschaftlichen Neujahrsempfängen in diesen Tagen gedacht und geredet. Vollmundig werden allerorts Pläne und Vorhaben vorgestellt, das eigene Können und die eigene Kraft gepriesen. Als müsste man mit dem Blick auf das Kommende besonders laut im dunklen Wald pfeifen.

„Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig!“ Muss man wirklich immer erst am eigenen Leib erfahren, wie es ist, an Grenzen der eigenen Kraft zu kommen? Es ist wohl schon so: Erst die eigene Erfahrung lehrt einen. Auch Paulus, aus dessen Brief an die Gemeinde in Korinth dieser Gedanke stammt, musste erst eine persönliche Grenzerfahrung machen, um seinen Lebensweg zu ändern. Die Erkenntnis, in der eigenen Schwachheit Gottes Kraft zu erfahren, wurde für ihn zum Lebensthema.

Kraft heißt Dynamis im griechischen Originaltext. Darin klingt mit, dass Kraft nicht gleich Muskelkraft oder körperliche Stärke ist. Wenn ich an dynamische Menschen denke, sind mir Energie und Bewegung vor Augen, Lebenslust und Lebensfreude, Zupackendes und Aktiv-Sein. Der Begriff von der Kraft Gottes hat im Neuen Testament durchaus diesen Grundklang: Kraft ist Lebensenergie. Dynamis meint die Schöpferkraft Gottes, die aus dem Chaos die Welt ins Leben ruft, und die in Christus den Tod überwindet und dessen Macht bricht. In Christus wird sichtbar: Menschliches Leben ist begrenzt, ist endlich und vergänglich. Gottes Kraft aber ist Leben. Das zeigt sich in der Auferstehung Christi.
Diese unerschöpfliche Lebensenergie leuchtet schon in unserer vergänglichen Existenz auf, durch Christus. Deshalb ist es für Paulus nicht die eigene Kraft und das eigene Vermögen, das ihn belebt und begabt, sondern die Kraft Christi, die in ihm wohnt. Sie erfüllt ihn mit Mut und Zuversicht und mit der Energie, seine Aufgabe voranzutreiben. Er weiß: Wenn er schwach ist, ist er stark in Christus.

Paulus ist ein Mensch, der sich seiner eigenen Schwächen sehr bewusst ist und er scheut sich nicht, sie auch zu benennen. Ob ich das auch von mir immer sagen könnte? Das jedenfalls ist mir klar: Wenn ich um meine eigene Schwachheit weiß, und manchmal auch um meine Schwächen, werde ich, auch in diesem Jahr, darüber staunen, mit wie viel Lebenskraft und Energie mich Gott beschenkt - und dankbar dafür sein.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5254
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