SWR3 Gedanken

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Karl hat den zweiten Weltkrieg erlebt. Als kleiner Junge. Obwohl das schon über sechzig Jahre her ist, hört er noch immer in manchen Nächten die Bomben fallen. Erlebt sich in der Dunkelheit eines Luftschutzkellers und sieht die Großmutter, die sich auf ihrem Kissen wiegt. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Wie ein Mantra, sagt Karl. Sie hat es immer wieder gesprochen. Bis der Bombendonner aufhörte.

Seine „eiserne Ration“. So nennt Karl dieser Worte. Die Worte des 23. Psalms. Sie haben sich ihm eingeprägt. Für’s Leben. „Wenn es mir schlecht geht, wenn ich einen Druck auf der Brust habe, dann kommen sie, diese Worte, ganz automatisch“, sagt Karl. „Und dann bin ich wieder in diesem Keller, sehe meine Oma und fühle mich aufgehoben. Ist das nicht seltsam?“

Ich finde das nicht seltsam. Ich habe den zweiten Weltkrieg nicht erlebt. Aber ich weiß um die Bedeutung von Worten, von „eisernen Rationen“. Die helfen, trösten, erleichtern, entlasten. Wenn es nötig ist. Eine meiner „eisernen Rationen“ ist ein Gebet von Dietrich Bonhoeffer. Da heißt es: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiß an jedem neuen Tag.“ Wenn es ganz dicke kommt, schließe ich die Augen und spüre, wie die vertrauten Worte aus meinem Kopf zu meinem Herzen wandern: Von guten Mächten wunderbar geborgen.

Andere Menschen haben andere „eiserne Rationen“. Das Vater Unser zum Beispiel. Oder das Abendgebet, das sie in ihrer Kindheit begleitet hat. Vertraute Worte, die in der Tiefe der Seele Heimat haben. Und an manchen Stellen des Lebens ganz einfach da sind, wenn man sie braucht. „Eiserne Rationen“ für die Seele.

Eine möchte ich Ihnen heute noch mit auf den Weg geben. Nämlich das Segenswort, das am Ende jedes Gottesdienstes steht. Sozusagen als „eiserne Ration“ für die Woche. Und das geht so: Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5242
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