SWR3 Gedanken

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Von Zeit zu Zeit verweile ich vor einem Regal voller Kosmetika und überlege, ob ich meinem Gesicht etwas Gutes tun soll. Da fällt mein Blick auf ein Produkt mit der knackigen Bezeichnung „Anti-Mimikfalten-Gesichtsmaske“. Anti-Mimikfalten-Gesichtsmaske. Hä?

Im Kleingedruckten werde ich folgendermaßen aufgeklärt: „Es sind 26 Mimikmuskeln, die in unserem Gesicht unser Lachen, Weinen, unsere Anspannung und Enttäuschung zum Ausdruck bringen. Besonders im Bereich um Augen und Mund entstehen die eher ungeliebten Mimikfalten“, heißt es da. Und Dinge, die ich ansonsten eher aus der Küche kenne, wie Olivenöl und Granatapfel, sollen dem Übel im wahrsten Sinne des Wortes zu Leibe rücken.

Nun stehe ich also vor dem Regal und betrachte mein Gesicht im Spiegel. Meine Mimikfalten. Stimmt, da sind sie. Besonders im Bereich um Augen und Mund. Und ich weiß, woher sie kommen. Einen Teil davon habe ich von den lustigen Abenden mit Freunden, bei denen wir uns wegen nichts und wieder nichts schief gelacht haben. Ein paar Falten verdanke ich sicher auch meiner Tochter, weil ich einfach lächeln muß, wenn sie tanzt oder singt.

Ach, und da die Furchen zwischen Mund und Nase. Sie erzählen von Momenten, in denen ich nervös auf eine Prüfung wartete, mich tierisch über jemanden geärgert habe oder traurig an einem Grab stand. Mit anderen Worten: Jede einzelne Falte und Furche in meinem Gesicht erzählt eine Geschichte aus meinem Leben. Mein Gesicht ohne diese Falten? Wie langweilig.

Deswegen lege ich die Anti-Mimikfalten-Gesichtsmaske wieder zurück ins Regal und beschließe, meinem Gesicht etwas wirklich Gutes zu tun. Ich besuche eine Freundin, trinke mit ihr Kaffee und wir lachen uns schief wegen nichts und wieder nichts. Alle 26 Mimikmuskeln haben reichlich zu tun. Dann gehe ich nach Hause und esse einen Salat mit Olivenöl und Granatapfelkernen. Mein Spiegel zeigt noch immer ein Gesicht mit Falten und Furchen. Aber es ist mein Gesicht. Und es gefällt mir.
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