SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken


In einer Kirche entdecke ich eine Wand mit Gebetszetteln. Ausgefüllt von Menschen im Vorübergehen. „Danke, Gott, dass du meine Gebete erhört hast und meinen Mann gesund gemacht hast“, schreibt da zum Beispiel eine Frau.

Ich stelle mir vor, wie viel Verzweiflung und Angst diese Frau durchgemacht hat. Wie viele heiße Gebete sie zum Himmel geschickt hat. Und wie erleichtert und erlöst sie war, als sich alles zum Guten wendete. Mit der festen Überzeugung, dass Gott selbst in ihr Schicksal eingegriffen hat. Kann ich verstehen.

Aber dennoch spüre ich auch offene Fragen. Weil ich an eine Bekannte denken muß, die ein behindertes Kind zur Welt gebracht hat und mit ihrem Schicksal hadert. Weil mir die Begegnung mit einer Frau einfällt, die von Depressionen geplagt wird und verzweifelt auf ein himmlisches Zeichen wartet. Und an das Gespräch mit einem Freund muß ich denken, dessen Frau viel zu früh an Krebs gestorben ist. Hat er vielleicht nicht genug gebetet?

Gebet und Erfüllung. Da ist mir Gott manchmal ein Rätsel. Ist er für die einen eine Art Weihnachtsmann, der ihre Wünsche erfüllt? Und die anderen waren nicht brav genug? Bei dem Reformator Philipp Melanchthon finde ich eine Antwort: „Durch die Sorgen, die ich mir mache, werde ich zum Beten getrieben, und mit meinen Gebeten stoße ich die Sorgen von mir weg.“

Gott ist kein Wunscherfüllungsgehilfe. Er ist eine Anlaufstelle. Bei ihm kann ich meine Sorgen loswerden. Kann sie in seine Hand legen. Die Last liegt nicht allein auf meiner Schulter. Und darin liegt die große Kraft des Gebetes.

Deswegen finde ich auch noch immer ein Gebet so wunderbar, das Friedrich Christoph Oetinger zugeschrieben wird. Und das geht so: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5240
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