Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Mark Twain, der große amerikanische Schriftsteller, überraschte seine Freunde mit der Mitteilung, er habe sich ein Haustier zugelegt. Und zwar ein sehr exotisches: ein Chamäleon. Er fand es faszinierend, wie das Tier seine Farbe veränderte, um sich der jeweiligen Umgebung anzupassen.
Eines Tages nahm er das Chamäleon mit in sein Arbeitszimmer und setzte es auf einen bunten Teppich. Die Farben des Teppichs machten wohl einen großen Eindruck. Jedenfalls bemühte sich das Chamäleon nach Kräften, sich den verschiedenen Farben anzupassen. Stundenlang, aber vergebens. Am Ende, so erzählt der Dichter, sei das Tier an Überanstrengung gestorben.
Ob sich das genauso zugetragen hat ? Bei Mark Twain kann man ja nie wissen ...
Aber die Geschichte hat es in sich.
Sich krampfhaft seiner Umgebung anpassen. Nur nicht auffallen. Das versuchen auch viele Menschen. Einigen gelingt das meisterhaft. Sie laufen immer mit, schwimmen mit dem Strom, heulen mit den Wölfen.
Manche aber werden krank dabei. Sie leiden unter dem ständigen Zwang zur Anpassung. Muss ich denn meine Bedürfnisse, Ansichten und Wünsche immer zurückstellen? Darf ich nicht mal anderer Meinung sein? Auch mal aus der Reihe tanzen? Einfach „Nein“ sagen, wenn ich nicht will?
Ich denke, der Glaube hilft dem Menschen, zu sich selbst zu finden. Den eigenen Wert zu erkennen. Sich nicht abhängig zu machen von den Erwartungen der anderen. Gott hat mich gewollt. Mit all´ meinen Stärken und Schwächen. Er steht zu mir. Vor ihm muss ich kein Theater spielen. Das ist eine befreiende Erfahrung. In der Bibel, im Buch der Psalmen, drückt ein Mensch das so aus.
„Herr, du hast mich erforscht, und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Von fern erkennst du meine Gedanken. (...) Du bist vertraut mit allen meinen Wegen. (...) Denn Du hast mein Innerstes geschaffen, mich gewoben im Schoß meiner Mutter. (...) Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich.“ (Ps 139 1-3.5.13)
Jeder Mensch ist danach ein Unikat, einzigartig, unverwechselbar. Aus diesem Bewusstsein heraus erwächst die Kraft, eigenständig zu denken und zu handeln. Wir sind nicht dazu verdammt, uns ständig unserer Umgebung anzupassen. Wir sind schließlich kein Chamäleon. Gott sei Dank !
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5230
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