Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ein seltsamer Heiliger war das – der Hl. Antonius. Heute ist sein Gedenktag. Er lebte im 4.Jahrhundert in Ägypten und war eigentlich ein ziemlich erfolgreicher Geschäftsmann. Doch dann steigt Antonius aus. Mit 35 Jahren schmeißt er alles hin. Seine berufliche und gesellschaftliche Karriere hängt ihm zum Hals heraus. Er lässt alles stehen und liegen und zieht hinaus in die Wüste. Vorstellen kann man sich das heute nur schlecht. Denn das war wirklich hart. Wasser findet man in einer Oase, aber mit Lebensmitteln sieht es schlecht aus. Heuschrecken und wilden Honig habe er gesammelt, so erzählen es die Geschichten. Aber das, was er eigentlich gesucht hat, das hat er auch gefunden: nämlich seine Ruhe.
Das geht allerdings nur ein paar Wochen gut.
Dann haben seine alten Freunde herausgefunden, wo er steckt und kommen in hellen Scharen. Alle wollen wissen, was los ist mit dem heiligen Antonius. Und was ihm fehlt. Aber bis dahin fehlte ihm überhaupt nichts. Im Gegenteil: Er genoss die göttliche Ruhe. Und er war glücklich. Denn er hatte die Kunst gelernt, mit sich selbst zufrieden zu sein.
Damit ist es jetzt aus. Antonius fügt sich seufzend in sein Schicksal und hält Sprechstunden. Von vier Uhr nachmittags bis Sonnenuntergang. Er tröstet die Deprimierten, er gibt Ratschläge für die Karriere, er gibt Ratschläge für die Liebe. Und alle, alle hängen sie an seinen Lippen, alle wollen sie teilhaben an der inneren Ruhe dieses Mannes. Viele Jahre geht das so. Doch irgendwann wird dem Antonius der Rummel zu bunt. Er zieht weg und begegnet nach drei Tagen einem anderen Einsiedler.
Drei Wochen sitzen sie nebeneinander, lächeln sich ab und zu an und schweigen.
Da, am ersten Tag der vierten Woche, räuspert sich der heilige Antonius: „Was ich die ganze Zeit schon sagen wollte: Ich bin jetzt neunzig Jahre alt. Aber das hätte ich nicht gedacht, in meinem Leben noch einmal einem Menschen zu begegnen, dessen Gesellschaft mir so einen Spaß macht.“
Ich weiß, dass man prima über die Ruhe reden kann und wie wichtig es ist, sich Zeit und Muße zu gönnen. Aber wie man das im ganzen Palaver des Alltags auch umsetzen kann, ist eine viel schwierigere Geschichte. Eine Antwort weiß ich jetzt und das ist ganz einfach: einfach auch mal selber den Mund zu halten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5227
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