SWR3 Worte

SWR3 Worte

Wenn wir zuweilen die Geduld verlieren, unsere Meinung einfach auf den Tisch knallen und dabei bemerken, dass der Andere zusammenzuckt,
berufen wir uns mit Vorliebe darauf, dass wir halt ehrlich waren. […]
Und dann, wenn es heraus ist, dann sind wir zufrieden; […] Im Weiteren überlassen wir es dem Anderen, was er mit unserer Ohrfeige anfängt […].
Aber was ist damit getan, wenn ich meinem Nachbarn sage, dass ich ihn für einen Hornochsen halte? Vielleicht braucht es Mut, aber noch lange keine Liebe!
Der Weise, der wirklich Höfliche, ist stets ein Liebender!
Man begnügt sich nicht damit, dass man dem Anderen einfach seine Meinung sagt. Man bemüht sich zugleich um ein rechtes Maß, damit sie den Anderen nicht umwirft […]. Wohl hält man ihm die Wahrheit hin, aber so, dass er hineinschlüpfen kann.

Max Frisch
In: Tagebuch 1946-1949, Frankfurt a.M. (Suhrkamp Verlag), 1950, zitiert nach: Der Andere Advent, Meditationen und Anregungen 1. Dezember 2007 bis 6. Januar 2008, Di. 11.12.07, Andere Zeiten e.V., Initiativen zum Kirchenjahr Hamburg.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=5214
weiterlesen...