SWR2 Wort zum Tag

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Das Mädchen heißt Ashley, ist neun Jahre alt und lebt in den USA. Durch eine unheilbare Krankheit bleibt sie voraussichtlich ihr Leben lang auf dem geistigen Stand eines drei Monate alten Säuglings. Sie kann den Kopf nicht halten, nicht sitzen und nicht sprechen. Auf Zuwendung reagiert sie mit Lächeln oder durch Laute. Pillow-Angel haben US-Medien das bettlägrige Kind getauft, Kissenengel. Asley wird von ihren Eltern gepflegt, und die haben sich, um sie weiterhin möglichst gut selber pflegen zu können, zu weitreichenden medizinischen Maßnahmen entschlossen. Durch Medikamente wurde das Wachstum gestoppt, Brustgewebe und Gebärmutter chirurgisch entfernt, um das Eintreten der Pubertät zu stoppen. Eine 40köpfige Ethikkommission hat zuvor intensiv über die Wünsche der Eltern beraten.
Ashleys Schicksal hat inzwischen eine breite Diskussion ausgelöst. Die einen sprechen von Verstümmelung und Körperverletzung, andere sehen hier eine Möglichkeit, die „Lebensqualität“ des Kindes einigermaßen zu halten, so ein Gutachter. Ich selber bin schlicht entsetzt, was uns Menschen alles einfällt. Denn Ashley wird als Objekt behandelt, zurechtgestutzt und handlich gemacht für die Pflege.
Deutsche Mediziner und Juristen betonen, dass ein solches Vorgehen bei uns nicht erlaubt würde. Aber es darf auch nicht die Mentalität entstehen, die hier zugrunde liegt. Auch guter Wille, auch Opferbereitschaft erlaubt nicht, so weitgehend über einen andern Menschen zu verfügen, der selber dazu nicht befragt werden kann. Eine Politikerin hat von einem gesellschaftspolitisch falschen Signal gesprochen.
Wer pflegt, kommt natürlich immer wieder in die Gefahr, die Selbstbestimmung dessen zu verletzen, den er pflegt. Aus gutem Willen, aus Überanstrengung, aus Ungeduld. Deshalb dürfen wir nicht nur, wir müssen immer wieder fragen, was eine Pflege erleichtern kann. Jedes Pflegebett, jeder Lifter, jedes denkbare Hilfsmittel sollte zur Verfügung stehen, und Pflegende brauchen auch häufig viel mehr Unterstützung und Erholungszeiten – an diesen Punkten besteht Handlungsbedarf. Die Pflegebedürftigen optimieren – das kann nicht der Weg sein.
In der griechischen Mythologie gab es einen Riesen namens Prokrustes. Der ließ Reisende bei sich übernachten. Damit sie in seine Betten passten, ließ er die Großen kürzen und die Kleinen strecken. Soll er unser Vorbild sein? https://www.kirche-im-swr.de/?m=520
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