SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

6. Januar, Fest der ‚Erscheinung des Herrn’, auch ‚Dreikönig’ genannt. Dieser Tag markiert den Übergang von den Feiertagen der Weihnachtszeit in den Alltag des neuen Jahres. Wird dieser Alltag so sein wie bisher, oder haben die weihnachtlichen Festtage und die Zeit um den Jahreswechsel etwas verändert? Jeder wird diese Frage anders und in seiner Weise beantworten können. Die Unterbrechung der gewohnten Arbeit, die Zeit, die wir mit Angehörigen und Freunden verbracht haben, die körperliche und geistige Erholung bleiben nie einfach folgenlos. Und auch, wer gewollt oder ungewollt viel allein war, hat sich vielleicht verändert in diesen Tagen.
Denken wir als Christen an die Weihnachtszeit und ihre Botschaft von der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth, dann wird zumindest so etwas wie Verwunderung zurückbleiben, ein erneutes Staunen, aber auch Fragen und Zweifel: „Gott, geoffenbart im Fleisch, den Völkern kundgetan“, so drückt Paulus diese Botschaft aus. (1 Tim 3,16) Oder: Gott hat uns „zur Kenntnis gebracht“, wer er ist,
er wird „ins Licht gerückt“ durch seinen Sohn. (vgl. Eph 1,9; 3.9). Oder: Gott sandte seinen Sohn, zur Welt gebracht von einer Frau“ (Gal 4,4) Diese Worte klingen fremd; im buchstäblichen Sinne: ‚wie aus einer anderen Welt’. Und weil wir sie so dicht kaum ertragen und aushalten können, haben wir ihre Botschaft an den Festtagen der Weihnachtszeit in Geschichten, Liedern und in Bildern gehört, gesungen und angeschaut. Wie viele Bilder gibt es zum Beispiel von der Verkündigung des Engels an Maria, vom Traum des Josef, von Jesu Geburt, von den Hirten auf dem Feld, von den Weisen, die von weither gekommen sind? Alle diese Bilder veranschaulichen nicht nur, was die Evangelien erzählen, sondern sie zeigen immer neu auf ihre Weise, dass das, was sie zu sehen geben, nicht alles ist. Sie lenken unseren Blick auf so einfältige Dinge wie das Kind, seine Eltern, den Stall, die Tiere, die Hirten, damit wir auf der Suche bleiben nach dem, was nicht gezeigt werden kann.
Nicht anders ist es mit den Liedern, die wir an Weihnachten gesungen haben. Lieder, die vom fernen und vom nahen Gott sprechen, der Licht und Dunkel ist, Wort und Stille, der Leben ist und das Menschsein bis zum Tod nicht scheut. Wir singen dieses Staunen immer wieder, weil wir damit an kein Ende kommen. Es ist das Staunen über einen Gott, der allen unseren Vorstellungen so sehr widerspricht. Nicht Gott ‚nach unserem Bilde’, Gott, wie wir selber gerne sein wollten, wenn wir Gott wären: groß, stark, vollkommen, unendlich.
„Jesus Christus hielt an dem Gott-gleich-sein nicht fest, er entäußerte sich, wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ – so in einem alten Lied. (Vgl. Phil. 2,6.7) Wenn wir darüber staunen – und das heißt auch: in Verwunderung geraten, ins Fragen und Zweifeln, ins Grübeln bis hin zum Eingeständnis unserer Ungläubigkeit – wenn wir darüber staunen, dann sind wir mitten im christlichen Glauben.
Staunen sollen wir, denn begreifen können wir das nicht! Ein Gott, der schwach wird, der also liebt – was ist Liebe anderes als freiwillige Schwäche? Ein Gott, der Mensch wird, ein Gott, der sich abhängig macht von der Antwort, die Menschen in ihrer Freiheit auf seine Liebe geben. Ein Gott, der um der Liebe, und das heißt, um der Freiheit der Geliebten willen, Ohnmacht der Macht vorzieht - ein solcher Gott kommt uns zwar nahe in den Augenblicken, in denen wir selber zu wirklicher Liebe fähig sind, aber wir verstehen es doch nicht!
Wenn wir also nicht begreifen, - wie können wir dann vom Geheimnis Gottes, der Mensch wird, sprechen? Wir sprechen so, wie wir es an Weihnachten getan haben: in der Feier der Gottesdienste, wir singen und musizieren, wir entdecken Bilder, alte und neue, wir erzählen Geschichten, die Geschichten von Jesu Geburt in den Evangelien und viele andere Weihnachtsgeschichten. Und: Wir befolgen den Rat vieler Frommen und Weisen: Plausibel, nachvollziehbar, wird die Botschaft dem, der den Vorstellungen von Gott Raum gibt im eigenen Denken und alltäglichen Handeln. Gott, der Ohnmacht der Macht vorzieht, um der Freiheit der Geliebten willen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5188
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