SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ganz gleich, in welcher Gestalt es sich zeigt – als Alien, als fremde Bedro-hung aus dem Weltall, als Werwolf oder als dämonische Macht – die Faszi-nation des Bösen hält an und eine breite Sparte der Filmindustrie lebt von ihr.
Mit dem Bösen lässt sich spielen – jedenfalls so lange die Wertordnungen klar bleiben, so lange das Gute noch eine Chance hat, so lange all das nur Leinwandzauber ist. In dem Moment, wo das „Böse“ mitten in den Alltag, in die wirkliche Welt einbricht, ist das Spiel vorbei. Die zerstörerische Kraft des Bösen, die in einem Völkermord Hunderttausende Heimat, Leib und Le-ben kostet, ist ebenso unverständlich und grauenhaft wie das Blutbad a-moklaufender Kids unter ihren Mitschülern.
Darüber kann man lange diskutieren und dicke Bücher schreiben und hat am Ende doch nichts gesagt. Was das „Böse“ für mich so fassungslos macht, ist, dass es so absolut unverständlich und unberechenbar bleibt. Und das macht auch den Widerstand so schwer. Immer bleibt ein Gefühl der Ohnmacht zurück.
Die letzte Bitte des „Vaterunser“-Gebets Jesu zielt auf dieses Ohnmachts-gefühl: „Erlöse uns von dem Bösen.“ Da wird niemand verteufelt. Da wird nichts erklärt, wo es nichts zu erklären gibt. Da wird auch nichts beschö-nigt.
„Erlöse uns von dem Bösen.“ Das ist zunächst einmal einfach nur realis-tisch. Denn realistisch ist es, sich die eigene Ohnmacht einzugestehen, wo unverständlich Böses geschieht. Realistisch ist es, die Sehnsucht wahrzu-nehmen und auszusprechen nach einer Welt, wo das Böse seine lebenszer-störende Macht verloren hat. Da ist die letzte Bitte des Vaterunsers für mich ein Ventil. Für Trauer, Wut und Klage. Aber auch für die Hoffnung, es könne doch einmal anders sein.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=515
weiterlesen...