SWR3 Gedanken

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Vergessene Wörter – das sind Wörter, die in unserer Sprache immer seltener vorkommen. Es gibt sogar eine „rote Liste“ der am meisten bedrohten Wörter. Dazu zählen zum Beispiel „blümerant“ oder „Lichtspielhaus“.
Die religiöse Sprache ist voll von solchen vergessenen Wörtern. Das merke ich vor allem dann, wenn mich meine Religionsklasse mal wieder nur fragend anschaut. Neulich ging es darum, dass Jesus Christus unser „Erlöser“ ist. „Erlöser“... in den Augen der Schüler nichts als Fragezeichen.
Zum Glück habe ich mich an ein Spiel meiner sechsjährigen Nichte Clara erinnert. Bei meinem letzten Besuch wollte sie unbedingt mit ihren Freundinnen und mir „Versteinerung“ spielen. Ein Fang-Spiel aus dem Turnunterricht: Wenn der Fänger mich abschlägt, muss ich sofort wie versteinert stehen bleiben. Die Versteinerten können aber „erlöst“ werden: Wenn ihnen jemand durch die Beine kriecht, dürfen sie wieder mitspielen.
Wie immer nach einem wilden Spiel mit Clara, war ich ganz schön außer Puste. Aber es hat sich gelohnt, denn jetzt kann ich meiner Klasse besser erklären, was es mit dem „Erlöser“ auf sich hat:
Wenn ich mich über etwas ärgere und genau weiß, dass ich es nicht ändern kann, dann habe ich auch das Gefühl, erlöst werden zu müssen. Erlöst von unehrlichem politischen Palaver. Oder erlöst von der Macht der Wirtschaftsbosse. Und gerne wäre ich auch erlöst von Krankheit und Tod auf dieser Welt.. Aber diese Erlösung kann ich mir nicht selbst verschaffen. Genau wie in Claras Versteinerungs-Spiel.
Wir Christen warten im Advent darauf, dass uns jemand aus unseren Versteinerungen erlöst. Wir warten auf den „Erlöser“ Jesus Christus. Es gibt zwar keinen festen Termin, aber wir glauben, dass er alles zu einem guten Ende bringen wird – irgendwann einmal.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5113
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