SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Beten ist zwar unpopulär, aber dennoch hat es einen festen Platz im Leben: wenn die Zeiten schlecht stehen, wenn Angst vor der Zukunft vorherrscht. „Not lehrt beten“, sagte man früher.
Die Bitte darum, dass es besser werden möge, der Schrei nach Gerechtig-keit, nach Rettung kommt auch im „Vaterunser“ vor – einem Mustergebet, das Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern weitergibt: „Dein Reich kom-me!“
Man hat diese Bitte heftig kritisiert. Die Christen hätten nur das Jenseits im Blick. Wirklichkeitsfremd seien sie. Träumten von einer besseren Welt hin-ter unserer Welt. Anstatt hier und jetzt zu handeln, hätten sie nur ihr ewi-ges Seelenheil im Kopf.
Ich glaube, dass Sehnsucht ein „legitimes“ Gefühl ist. Und ich bin froh, dass diese Sehnsucht auch beim Beten ihre Sprache findet. Die Rede vom „Reich Gottes“ klingt zwar etwas angestaubt. Trotzdem empfinde ich diese Bitte des Vaterunsers als hilfreich.
Sie bringt für mich zum Ausdruck, dass meine Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit sich nicht in dem erschöpft, was ich mir gerade persönlich als den glücklichsten Zustand auf Erden vorstellen und wünschen mag. Im „Reich Gottes“, um das ich bitte, liegt mehr als private Glückserfüllung. Es umfasst die ganze Welt. Es hat alle Menschen im Blick.
Und noch etwas Zweites steckt drin: das „Reich Gottes“ ist nichts, was sich erst irgendwann in ferner Zukunft oder gar nicht auf dieser Erde verwirk-licht. Es wird schon hier und jetzt wahr. Da, wo Machtmissbrauch durch-schaut und bekämpft wird. Dort, wo Schuld vergeben wird, wo Täter und Opfer sich wieder gegenseitig ins Gesicht sehen können. Und dort, wo wir bekommen, was wir zum Leben brauchen, und dafür sorgen, dass andere es ebenfalls erhalten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=510
weiterlesen...