SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wie sollen Kinder verstehen, was Advent bedeutet, wenn die Sommerferien fast nahtlos in die Werbung für das Weihnachtsgeschäft übergehen? Wie sollen sie erahnen, dass die Geburt Gottes in unserem Menschenleben ein Wunder ist, das alles Menschenmögliche übersteigt? Wo sollen sie lernen, dass die wirklich großen Erwartungen im Leben sich nicht einfach erzwingen lassen, sondern des geduldigen Wartens, des Hoffens bedürfen? Dass sie nicht einfach gekauft werden können, sondern ein Geschenk sind? Und dass die Vorfreude oft auch mit Verunsicherung und Zweifel einhergeht? Wie sollen sie das alles verstehen in der alljährlichen Wiederholung banaler Geschäftigkeit – einer Wiederholung, die nichts damit zu tun hat, dass das große Wunder der Menschwerdung Gottes, immer wieder neu erinnert, erfragt, erhofft, gefeiert werden muss, weil wir nie damit an ein Ende kommen?
Wie sollen Kinder den Advent verstehen? Wenn ich mich erinnere an meine eigene Kindheit – in den wahrlich nicht idyllischen Nachkriegsjahren -, dann fällt mir ein, dass die Erwachsenen mehr Zeit als sonst für meinen Bruder und mich hatten, dass Adventslieder gesungen wurden und dass eine ganz eigentümliche Atmosphäre der Vorfreude geherrscht hat, die nicht nur mit den erhofften Weihnachtsgeschenken zu tun hatte. Heute würde ich sagen: Wir Kinder haben erfahren, dass es über alle Alltagsdinge hinaus ein Mehr gibt, eine Erwartung, eine Hoffnung, die immer neu ist und die auch nicht dadurch verbraucht wird, dass sie in stets wiederkehrenden Ritualen lebendig gehalten wird.
Einen zweiten Gedanken füge ich hinzu: Der Advent kann eine Zeit sein, in der wir uns bewusster den Kindern zuwenden und die wir emotional dichter mit den Kindern erleben. Wir zeigen, dass wir auf die Zukunft hoffen und rühren damit die Zukunftshoffnung an, die in jedem Kind lebendig ist. Jedes Kind, wirklich jedes Kind ist ein Neuanfang in dieser Welt, etwas Einmaliges, durch das alles anders wird, als es vorher war. Viel zu wenige Kinder haben die Chance, sich selbst als einen solchen Glücksfall zu erleben. Das ist bedrückend. Vielleicht kann die Besinnung auf den Advent dazu beitragen, dass wir Erwachsene die Kinder erfahren lassen: Gott ist in einem Kind Mensch geworden. Und deshalb bist Du, gerade Du, unendlich wichtig und wertvoll. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5042
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