SWR2 Wort zum Tag

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Hoffnung kann enttäuschen. Wer hätte es nicht schon erlebt – bei sich selbst oder bei anderen. Ich hatte so gehofft, dass alles gut werden würde. Und nun ist doch alles ganz anders geworden. Nun ist doch das Schlimmste eingetreten. Das sind Worte einer enttäuschten Hoffnung. Bei einer Routineuntersuchung wurde vielleicht das noch unklare Symptom einer Erkrankung entdeckt. Weitere Untersuchungen sollten Klarheit schaffen. Sie waren von der Hoffnung begleitet, dass sie am Ende zu einer günstigen Diagnose führen würden. Dann hat sich diese Hoffnung zerschlagen. Und man musste sich fragen, wie das Leben nun weitergehen soll oder gar, wie lange es einem noch geschenkt wird. – In vielen Lebenssituationen werden Hoffnungen enttäuscht, kleine Hoffnungen und große, die, wenn sie sich zerschlagen, das Leben verändern und schwer machen.
Enttäuschte Hoffnung ist eine bittere Erfahrung. Man steht mit ihr wie vor einer Tür, hinter der Angst und Verzweiflung lauern. Gibt es nichts, was diese Tür verschlossen hält? Und wenn sie sich öffnet, nichts, was im Dunkel enttäuschter Hoffnung aus der Verzweiflung heraushelfen kann?
Der Beter eines Psalms hat, was er erlebt, mit Worten geschildert, die nicht hoffnungsloser und verzweifelter hätten sein können: Er wird angefeindet und hat Angst. Freunde lassen ihn ihre Verachtung spüren. Er fühlt sich vergessen wie ein Toter. Er ist unendlich müde und kraftlos und wird dazu auch noch von Schuldgefühlen gequält. Ich bin geworden wie ein zerbrochenes Gefäß, stöhnt er. Aber – das alles spricht er aus in einem Gebet. Er spricht es aus vor Gott. Er schreit zu ihm – und kann dann plötzlich bekennen: Ich hoffe auf dich, Herr, und spreche: Du bist mein Gott. Und dann fügt er hinzu: Meine Zeit steht in deinen Händen. Meine Zeit, meine Zukunft, mein Leben in Gottes Hand! Ist das die Hoffnung gegen die Hoffnungslosigkeit?
Aber wie kommt es dazu? Du bist mein Gott, du bist mein, bekennt der Beter. Du bist mein – das ist die Sprache der Liebe. Kann nicht Liebe die Tür zur Verzweiflung verschlossen halten oder wieder verschließen? Das ist doch schon so bei der Liebe zwischen Menschen. Denn ein geliebter Mensch trägt mit, wenn Hoffnung enttäuscht. Wer sich von Gottes Liebe getragen weiß, hat erst recht Grund, gegen die Hoffnungslosigkeit zu hoffen. Es ist die Botschaft des Advents, dass Gottes Liebe zu jedem Menschen kommen und Menschen auch noch in den Abgründen des Lebens erreichen will. Das macht neue Hoffnung auch in der Enttäuschung möglich, die Hoffnung, dass man nicht allein gelassen ist.
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