Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Hunger. Hunger nach Brot. Die älteren unter uns kennen das noch. Damals nach dem Krieg. Da hatten viele Hunger nach Brot. Und sie wissen auch, was das bedeutet. Da geht es nicht nur um den knurrenden Magen. Da ist das ganze Leben auseinander und die Gemeinschaft ist gefährdet.
„Unser tägliches Brot gib uns heute“, so heißt es im Vaterunser.
Die Zeiten sind vorüber, bei uns. Gott sei Dank. Und doch gibt es wieder Armut in Deutschland. Armut und Hunger. Nein, es ist kein Hunger mehr nach Brot – zu essen gibt es genug bei uns. Aber es Hunger danach, einen Sinn im Leben zu finden, eine Aufgabe im Leben: Arbeit. Es ist Hunger nach Wertschätzung, nach Hoffnung, Hunger nach Zukunft. Und das ist genauso schlimm.
Über 11 Millionen Menschen gelten hierzulande als arm. Die meisten von ihnen haben nicht genug Geld zum Wohnen, zum Heizen, zum Leben. Ich hätte nie gedacht, dass es in Deutschland wieder Armut geben würde. Das Schlimmste aber ist, dass sich diese Menschen als wertlos empfinden. Als „die Überflüssigen“ hat man sie bezeichnet. Man braucht sie scheinbar nicht, ihre Arbeit, ihre Begabungen, ihre Persönlichkeit. Sie kosten nur, wird ihnen vermittelt. Deshalb gehören sie anscheinend nicht dazu.
Unser tägliches Brot gib uns heute, heißt es im Vaterunser – vielleicht müsste es bei uns und in diesem Zeiten heißen: Unsre tägliche Arbeit gib uns heute. Gib uns Anerkennung und Wertschätzung. Wir wollen dazu gehören.
Übrigens fand ich es immer erstaunlich, dass direkt hinter dieser Bitte um Brot im Vaterunser der Satz kommt: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Brot und Schuld liegen nahe beieinander. Wer Brot hat vergisst schnell diejenigen, die nichts haben. Findet sie manchmal sogar lästig. Das aber ist Schuld, vor Gott und voreinander.
Im Vater Unser betet niemand für sich alleine. Wer um Brot betet, der tut das auch für die andern. Es heißt ja nicht: Mein Brot gib mir – und den anderen gib nichts.
Unser tägliches Brot gib uns heute. Ich möchte jetzt so weiter beten: Und öffne uns die Augen für die, die am Rande stehen. Hilf uns, dass wir etwas für sie tun. Denn sie brauchen Arbeit und Anerkennung, sie gehören dazu. Und dazu gib uns den Mut, die Kraft und die Hartnäckigkeit. Denn auch sie sind Geschöpfe Gottes. Amen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=498
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