Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Hätten Sie gerne „Rettungsgeschwister“? Das sind Kinder, die gezielt „er“zeugt werden, um dank ihres ähnlichen Erbmaterials einem kranken Bruder oder einer kranken Schwester zu hel-fen. Zum Beispiel als Gewebespender. Das britische Parlament hat in diesem Jahr solche Prak-tiken grundsätzlich erlaubt.
Es ist erschütternd, wenn Politiker die Verzweckung von Menschen erlauben und Mediziner Kinder auf die Funktion eines Medikamentes herabwürdigen. Am meisten erschüttert mich aber die Verzweiflung der kranken Menschen oder ihrer Angehörigen, die für sich keinen anderen Ausweg mehr sehen. Wie groß muss die Not sein, wenn der Verbrauch anderen menschlichen Lebens als einzige Hoffnung erscheint?
Auch wer fragwürdige Heilmethoden ablehnt, muss eine Antwort auf diese Not suchen. Viel-leicht hilft sogar der Begriff der „Rettungsgeschwister“ weiter: Anders als unsere Freunde ha-ben wir unsere Geschwister nicht ausgesucht. Wir haben sie einfach. Das mag uns nicht immer passen. Aber Familienbande existieren ohne unsere Zustimmung und verpflichten uns zum Beistand.
Christen nennen sich seit frühester Zeit „Bruder und Schwester“ und nicht „Freund und Freun-din“. Aus gutem Grund. Denn das macht deutlich: Hier geht es nicht um gefühlsmäßige Zunei-gung, sondern ich bin verantwortlich für jeden Menschen, den Gott neben mich gestellt hat. Wenn es hart kommt, kann ich mich – hoffentlich – auf den Bruder und die Schwester verlas-sen. Mein Bruder wird mich nicht hängen lassen – einfach weil er mein Bruder ist.
Doch diese Geschwisterlichkeit lässt sich nicht erzwingen. Sie hängt von der freien Entschei-dung der Schwestern und Brüder ab. Echte Geschwisterlichkeit lässt sich gerade nicht gen-technisch im Reagenzglas erzeugen.
Wie Geschwister sind deshalb Menschen, die in der Not beistehen, die Hand reichen und Halt geben. Freiwillig, zuverlässig und fast selbstverständlich. Ohne Absicht oder Berechnung, eben wie ein Bruder oder eine Schwester.
Damit ist eine schwere oder gar tödliche Krankheit noch nicht besiegt. Aber dass man nicht alleine ist, kann von der Verzweiflung befreien, auch fragwürdige Mittel um jeden Preis aus-probieren zu müssen. Und wenn der Bruder oder die Schwester an der Seite vielleicht sogar die Ahnung vermitteln kann, dass Gott selbst dem Kranken nahe ist und schon dessen Rettung beschlossen hat, dann sind sie wirkliche „Rettungsgeschwister“ geworden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4973
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