SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

In den Gebeten der Bibel wird an Gott appelliert: Er soll doch Hinhören. „Neige deine Ohren zu mir, Gott...!“ Diese Bitte kommt aus der Erfahrung: Gott kann seine Ohren auch verschließen und aktiv Weghören. Ob ER nämlich immer hinhört oder nicht – ist nicht ausgemacht.

Mich entlastet das einerseits. Sehr sogar. Denn dass Gott unentwegt mithört – war für mich gar kein Trost, sondern zu erst einmal eine beklemmende Vorstellung - seit meiner Jugend. Wenn dem nämlich so wäre und Gott bekäme jede Äußerung von mir mit, immer und ohne Ende – dann wäre da ein Überwachungs-Gott in meinem Leben, ein Big Brother, der alles registriert, alles prüft, alles beurteilt – ein Gott, der jede Intimität vertreibt, der mich beengt, der mich verunsichert, einer, wo kein Vertrauen wachsen kann.

Doch die umgekehrte Vorstellung ist mir noch schwerer erträglich: Was hieße es, wenn ich gar kein Gehör finde bei Gott, wenn Gott meine Rufe überhört, wenn Gott mich nicht beachtet? Wenn ich niemandem anvertrauen kann, was mich im Innersten berührt und bewegt?
Wenn ich eine unbändiger Lebensfreude verspüre! Oder wenn mich Unheil und Katastrophen in der Welt niederdrücken und schier zum Verzweifeln bringen.
Sehr, sehr schmerzhaft wäre das, wenn der, dem ich mein Leben verdanke, dann kein Ohr für mich hätte. Es wäre gerade so, als würde ER sich verleugnen, wie ein „Was geht mich dein Leben an?“
? Warum hoffe und vertraue ich darauf: Gott hört mein Gebet!
Es ist die Erfahrung der vielen vor mir. Weil Gott die Schreie der Notleidenden vernommen hat, die Schreie der jüdischen Sklaven in Ägypten so wie den Schrei von Jesus am Kreuz von Golgatha.
Diese Gebete - diese Gebetsschreie – hat Gott nicht überhört.
Gott hat geantwortet, und zwar so: „Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.“ (2.Mose 3,7) – Ich lasse Jesus nicht im Stich. „Ich bin bei ihm in der Not.“ (Psalm 91,15) Ich gebe ihn dem Tod nicht preis! (Psalm 118,18)

Weil diese Erfahrungen mit Gott auch mich erreicht haben, weil ich ihnen vertraue, darum frage ich und klage ich und flehe ich im Gebet zu Gott. Und bin mir dabei auch bewusst: „Es ist kein Wort auf meiner Zunge, dass du HERR nicht schon wüsstest!“ (Psalm 139,4)
Diese Vorstellung beengt mich nicht. Sie löst meine Zunge und bricht mein Schweigen.
Ich kann Unaussprechliches aussprechen vor Gott - ohne Angst und ohne Selbstzensur.

Nein, ich weiß doch Gott, Du kannst mich hören, wenn du nur willst! Und
Darum können Gebet bisweilen lauter – wird zum Schrei: „Höre mein Gebet, HERR, und vernimm mein Schreien (Ps 39,13) „HERR, neige deine Ohren ...; denn ich bin elend und arm.“ (Psalm 86,1/ David).

Darum das inständige Gebet: „Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, / neige deine Ohren zu mir...“ (Psalm 102,3) Das Zu-Neigen der Ohren ist erfahrene Zuneigung!
Menschen rufen zu Gott in ihrer Not,

Gott kann alles hören – aber darum hört ER noch längst nicht alles. Das jedenfalls erfahre ich aus Bibel.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4951
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