SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Mittagessen bei Schwiegermuttern. Ich war froh, dass sie mich eingeladen hatte, weil ich unter Zeitdruck war. Und weil sie weiß, dass ich gern Fisch esse, hatte die beste aller Schwiegermütter eben Fisch gemacht. Richtig guten Fisch, aber was für einen: Victoriabarsch! Treffer! Nicht nur weil dieser Fisch wirklich hervorragend schmeckt, sondern weil er bei der Familie Kottlorz auf der schwarzen Liste steht. Nicht weil er zu teuer oder ungesund ist, sondern aus politischen und ökologischen Gründen. Victoriabarsch ist das Paradebeispiel für den entfesselten Raubtierkapitalismus. Dieser Fisch gehört nicht in den Victoriasee. Er wurde vom nordafrikanischen Nil in den zentralafrikanischen Victoriasee eingesetzt und hat sich dermaßen rapide vermehrt, weil er dort massenhaft Futter in kleineren Fischen gefunden hat. Und zwar so, dass er nicht nur massenhaft in der Zahl zugenommen hat, sondern er selbst auch in seiner Masse. Er wurde ein Riesenfisch mit richtig fetten Filetstücken. So hat er aber auch ein Riesenloch in die Nahrungskette des Victoriasees gerissen und großen ökologischen und auch wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Die Fischer vor Ort bekommen, weil sie sich den Victoriabarsch selbst nicht leisten können, nur die Abfallteile wie Kopf, Schwanz oder Gräten. Die Filetstücke werden nach Europa geflogen. Dort wird die Delikatesse frisch und relativ günstig auf den Markt gebracht.
Und zu schlechterletzt bringen die Flugzeuge, die den Fisch nach Europa fliegen auf ihren Rückflügen immer wieder auch Waffen nach Afrika.
Meiner Schwiegermutter ist das alles zu kompliziert und sie wollte ihrem Sohn nur eine Freude mit einem leckeren Essen machen. Darum habe ich mich in dem klassischen Wertkonflikt – den moralisch ungenießbaren Fisch nicht essen oder meiner Schwiegermutter eine Freude machen – für letzteres entschieden. Aber dieser für mich nun allerletzte Victoriabarsch war dann schon ein schrecklich genussloser Genuss.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4905
weiterlesen...