SWR2 Wort zum Tag

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Gottesacker, so heißt in der Tradition der Herrnhuter Brüdergemeinde, der Friedhof. Mit der Beschreibung eines solchen Gottesackers beginnt der schwedische Schriftsteller Per Olov Enquist seinen Roman „Levis Reise“.
„Die Sonne stand so niedrig, dass die flach aufgemeißelten Rillen der Texte Schatten warfen: die sehr alten Grabinschriften wurden plötzlich sichtbar ... So würde es noch ein paar Minuten bleiben, dann würden die Namen verschwinden. Gott hatte ein paar Minuten lang seinen Acker für mich beleuchtet, danach würden ihre Leben ins Dunkel des Tageslichts treten und die Namen unsichtbar werden.“
Dass der Friedhof bei den Herrnhutern „Gottesacker“ heißt, hat einen tiefen Sinn. An diesem Ort nämlich geschieht Verwandlung. Was als Korn in die Erde fällt, so der Glaube, wird als Ähre neues Leben gewinnen.
Von dieser Verwandlung schrieb schon Paulus an seine Gemeinde in Korinth:
„Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird
auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft.“ (1. Kor 15,42f.)

Auf dem Gottesacker herrscht keine Friedhofsruhe. Wer hier begraben liegt, ist nicht am Ende. Was hier begraben liegt, enthält den Keim zur großen Verwandlung.
Aber so wie es zwischen dem ausgesäten Korn und den reifen Ähren keine wirkliche Analogie gibt, so nicht
zwischen dem toten Leib, der ins Grab gelegt wird, und dem auferstandenen Menschen, von dem wir sagen, er
sei in die Ewigkeit gerufen worden.
Ewigkeit – was ist das? Ewigkeit überschreitet unsere an Raum und Zeit gebundene Vorstellungskraft. Von ihr
wird man nur schwer etwas sagen können. Außer vielleicht: dass sie schön ist. „O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit“, so hat der evangelische Mystiker Gerhard Tersteegen über
sie gedichtet.
Ewigkeit ist schön. Nicht nur in einem ästhetischen Sinn. Das sicher auch. Schön aber vor allem im Sinn dessen, was Gott am Anfang über seine vor Leben und Lebendigkeit überfließende Schöpfung sagt: Siehe, es war sehr gut und sehr schön!
So gut und so schön wie dieser Anfang, so gut und so schön wird auch das Ende sein.
Darum sprechen Christen vom morgigen Sonntag nicht als Totensonntag, sondern nennen ihn Ewigkeitssonntag. Und öffnen den Blick hin zur großen Verwandlung. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4893
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