Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Du bist wohl verrückt!“ Dieser Satz ist wohl alles andere als ein Kompliment. Aber auf die heilige Elisabeth von Thüringen, deren Fest wir heute feiern, trifft diesen Satz in ungewöhnlicher Weise zu. Denn die Landgräfin, jung verwitwet, tauscht ihr Leben am Hofe gegen den Dienst für die Armen. „Du bist wohl verrückt“ hat sicherlich ihre Schwiegermutter gesagt oder zumindest gedacht. Denn sie weigerte sich am Hofe Speisen zu essen, von denen sie wusste, dass sie den Bauern abgepresst waren. Sie beharrte schon im 13. Jahrhundert auf fair gehandelter Ware. „Du bist wohl verrückt“ wird wohl auch ihr Schwager gesagt haben, als sie aus den Vorratskammern des Hofes Nahrung an die hungernde Bevölkerung austeilte. Ja, sie war eine Verrückte, sie hat sich im wahrsten Sinne des Wortes ver-rücken lassen. So wird aus der geborenen Königstochter eine Frau, die sich leidenschaftlich für die Armen und Kranken einsetzt und dabei auf alle Privilegien und allen Luxus verzichtet. Sie lässt sich verrücken von dem Glauben an Jesus Christus. Sie glaubt an einen Gott, der ebenfalls verrückt ist. Der sich selbst ver-rückt hat vom Himmel auf die Erde.

Heute ist auch Buß- und Bettag. Der Name Buß- und Bettag klingt ein bisschen altertümlich. Aber das Anliegen des Tages ist höchst aktuell. Es geht darum, inne zuhalten und die Welt mal durch die Brille Gottes zu sehen, das heißt etwas anders sehen. Und das bedeutet ganz konkret, müssen wir nicht – wie Elisabeth – stärker auf die schauen, die am Rande stehen? Und uns dann ver-rücken lassen? Weg von der Jagd nach Dividenden hin zu gerechten Löhnen. Weg von der Haltung, Hauptsache das T-Shirt ist billig, auch wenn Kinder es produziert haben. Die Haltung der Hl. Elisabeth und der Buß- und Bettag fordern uns auf, uns ver-rücken zu lassen.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=4883
weiterlesen...