SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wir sind zur Zeit im Totenmonat November. So nennt die Kirche traditionell den Monat, am dem das Tageslicht so deutlich zurückgeht, der Winter zurückkehrt oder zumindest das Schmuddelwetter uns in den Schutz der warmen Häuser treibt. Es scheint, dass zu allen Zeiten diese Stimmung die Menschen an ihre eigene Endlichkeit erinnert hat.
Am Allerheiligentag gedenken Christen der verstorbenen Angehörigen. Sie besuchen deren Gräber und beten für sie. Gleich danach folgt dann der katholische Gedenktag Allerseelen, etwas später der staatliche Volkstrauertag und immer noch im November der evangelische Totensonntag.
Ich habe ein paar Jahre in Afrika gelebt und bin dort einem Umgang mit dem Tod begegnet, der sich sehr davon unterscheidet, was ich von zuhause gewohnt war. In dieser ganz anderen Kultur konnten alle, Kinder und Erwachsene, sich ganz persönlich von Verstorbenen verabschieden– auch wenn es keine engen Verwandten oder Freunde waren. Ganz selbstverständlich werden die Toten aufgebahrt, und auch das Feiern, Disputieren und Tanzen neben dem Sarg gehört zum normalen Leben.
Ich habe erlebt, wie nach dem Tod eines 20jährigen die Freunde den Sarg tanzend und singend zum Grab trugen. Ich kann kaum beschreiben, wie beeindruckt ich von diesem Erlebnis war.
Ich habe dies alles als sehr befreiend empfunden, denn ich war gewohnt, nur leise und vorsichtig über das Sterben zu sprechen, und ich hatte selbst nur ganz selten einen Toten gesehen.
Das heißt nicht, dass die Afrikaner, die ich kennengelernt habe, nicht mit dem Tod hadern. Vielmehr haben sie geweint und geschrieen – meist auf herzzerreißende Weise.
Es ist und bleibt für Menschen in allen Kulturen unbegreiflich, dass da jemand, den wir gekannt, vielleicht geliebt haben, ganz sicher nicht mehr wiederkommt. Dass sie oder er nicht mehr am Leben teilnehmen, nie mehr sprechen und handeln kann.
So ist uns Lebenden der Tod der größte Skandal dem wir begegnen können.
Diesem skandalösen, unbegreiflichen werden wir nicht beikommen. Aber von den Afrikanern könnten wir Europäer lernen, das Ende des Lebens anzuschauen statt wegzuschauen. Das kann ein Anfang sein auf dem Weg zum Umgang damit.
Immerhin, so ist jüngst zu lesen, gibt es bei uns wieder mehr Familien, die ihre Angehörigen zu Hause aufbahren lassen, um länger und intensiver Abschied zu nehmen. Kleine Schritte also hin zu dem, was uns der Monat November näher bringen will.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4852
weiterlesen...