SWR2 Wort zum Tag

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Was bleibt – über den Tod hinaus?
Nicht alles aus der Hand geben müssen, etwas haben, was bleibt, was Bestand hat, über den Tod hinaus. Menschen träumen davon, auch wenn wir wissen, dass die Wirklichkeit anders ist. Sterben heißt Abschied nehmen, aus dem Leiden scheiden, alles zurücklassen, früher oder später vergessen sein.
Der sogenannte Prediger, Autor des biblischen Buches Kohelet, sagt es nüchtern und realistisch: „Es gibt keine Erinnerung an die Früheren. … Alles ist Windhauch und Hirngespinst. Wir haben nichts in die Welt gebracht und wir nehmen auch nichts mit hinaus. Wie der Mensch hervorging aus dem Mutterschoss, nackt geht er wieder dahin, nichts kann er mitnehmen.“ (Lektionar zum Stundenbuch II/6, 189f, Responsorium)
Es ist erstaunlich, dass sich Menschen mit dieser Einsicht nicht zufriedengeben, sondern in Geschichten und Bildern gleichsam dagegen ‚anträumen’, sich immer neu in Bildern ausmalen, es könnte doch etwas geben, was wertbeständig ist, gültig ist und Bestand hat über den Tod hinaus.
Der Dichter Leo Tolstoi erzählt eine solche Geschichte. Da ist ein Mensch, der auf Erden alles hat, was man sich nur wünschen kann – ein Schloss zum Wohnen, Menschen, die ihm zu Diensten sind, sogar einen eigenen Leibarzt. Am Ende versucht er dann mit allen Tricks, etwas über die Schwelle des Todes hinüberzuretten, damit er ‚drüben’ etwas kaufen und bezahlen kann. Ihm sagt nun der Engel im Himmel: „Entschuldigung! Wusstest du es nicht? Im Himmel kann man nur mit dem bezahlen, was man auf der Erde verschenkt hat!“
Auch die Evangelien erzählen ähnliche Geschichten. Da kommt einer in den Himmel, der nicht gerade zu den Frommen gehörte und wird herzlich willkommen geheißen.
Christus – so die Geschichte - sagt ihm: Was du einem meiner geringsten Brüder getan hast, das hast du mir getan. … Ich war hungrig und du hast mir zu essen gegeben; ich war durstig, und du gabst mir zu trinken. Ich war fremd und du hast mich aufgenommen. Ich war nackt und du hast mich bekleidet. Krank war ich, du hast dich meiner angenommen; im Gefängnis hast du mich besucht.“
Reichlich naiv klingen solche Geschichten. Naiv sind sie wohl tatsächlich im Sinne dieses Wortes: ‚angeboren’, ‚natürlich’, ‚ursprünglich’. Erzählt werden sie, um zu sagen: Es ist nicht gleichgültig, was du hier auf Erden tust. Es gibt etwas, was über dein Leben hinausweist. Liebe, die du an andere verschenkst, gehört dir für immer.
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