Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Volkstrauertag. Gesangvereine, Feuerwehr, VdK, Vereinigung der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen, Soldatenuniformen, Fahnen, Bürgermeister und Ortsvorsteher, morgen finden wir sie alle auf unseren Friedhöfen und an den Ehrenmalen für die Kriegstoten der beiden großen Weltkriege des letzten Jahrhunderts. An einigen Orten, wie bei uns in der Pfalz in Zweibrücken, denken junge Frauen und Familien auch an die Männer, die in Afghanistan gefallen sind.

Viele Worte werden morgen gemacht. Ein Wort wird oft gebraucht an diesem Tag und es provoziert bei mir immer viele Fragen. Wenn das Wort: „Opfer“ kommt, dann frage ich mich: Wer opfert? Die Generäle, die Politiker, der Staat, eine Partei, ein politisches System, am Ende vielleicht sogar Gott? Opfern Menschen sich selbst? Warum eigentlich? Wer wird geopfert? Die Verantwortlichen? Schuldige oder Unschuldige? Kinder oder junge Männer? Frauen? Von den Frauenopfern in den Kriegen spricht man eigentlich weniger. Oder?

Die Bibel beschreibt Krieg und Kriegstote eigentlich nie mit dem Wort „Opfer“. Gott will kein Menschenopfer, heißt es immer wieder. Beim Propheten Jeremia wird Krieg in dem Bild vom Zornbecher Gottes beschrieben. Krieg, das können nur Leute machen, die gottlos, besoffen, sind: Da lese ich: „Nimm diesen Becher mit dem Wein meines Zorns aus meiner Hand und lass daraus trinken alle Völker, zu denen ich dich sende, dass sie trinken, taumeln und toll werden vor dem Schwert, das ich unter sie schicken will“ (Jeremia 25 15 und 16). Krieg und Kriegstote, das hat etwas mit unserer Gottlosigkeit zu tun und dem Zorn Gottes darüber. Aber Gottes Zorn will uns nicht vernichten. Gott will durch solche Katastrophen sein Volk wieder zurück in seine Nähe rufen.

Ich war nie ein beliebter Volkstrauertagsredner, weil ich ehrlich sein wollte. Jeder Krieg ist eine Katastrophe. Und jeder Mensch, der dabei stirbt, ist einer zuviel. Das einzige, was ein Krieg zuwege bringen kann: Er macht unsere Gottlosigkeit offensichtlich, bringt sie uns unter die Haut. Und macht so, dass Menschen sich wieder sehen nach Gottes Nähe. Nicht nach Stolz und Ehre.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4832
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