Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Manchmal reizt es mich, Fremde zu fragen. Die beiden Männer an der Tankstelle. Die sprachen lebhaft eine fremde Sprache. Da hab ich sie gefragt: „Was für eine Sprache ist das?“ Und sie haben geantwortet: „Wir sprechen kurdisch.“ Und dann habe ich sie getestet: „Kennen Sie Urfa?“ Und sie haben mich erstaunt angeschaut und geantwortet: „O ja, große Stadt im Südosten der Türkei. Grenze von Syrien“. So kamen wir ins Gespräch. Da gibt es 400.000 Einwohner. Einen Staudamm, der das Wasser vom Euphrat sammelt. Und eine interessante Kultur. Ja, einer meiner beiden Männer von der Tankstelle wusste sogar, dass die Stadt etwas mit Abraham zu tun hatte. Und der andere fügte hinzu: „Heilige Stadt“.

Ich kannte Urfa nur aus der Kunst, weil ich gerne mal ins Museum gehe. Da fand ich im Museum Ludwig in Köln, eingetaucht in grünes Licht, der Lieblingsfarbe Mohammeds, einen jungen Künstler, Matti Braun. Er hielt Urfa, das alte Ur in Chaldäa, für die Wiege der Zivilisation. Muslime und Juden betrachten sie als heilige Stadt, in der angeblich Abraham geboren und vor dem Scheiterhaufen gerettet wurde. Und er erzählte mir: „Hier gab es der Sage nach den ersten christlichen Staat. Der König von Urfa zur Zeit Jesu war krank. Und er hörte von dem Messias. Er schrieb nach Jerusalem. Und der Antwortbrief Jesu machte ihn gesund. Zum Dank organisierte er einen christlichen Staat.“ Und Tatsache: In Urfa gibt es noch Reste ganz früher christlicher Kirchen aus dem zweiten Jahrhundert.

Juden, Christen und Muslime, Menschen in einer Stadt. Sie hüten die Geburtshöhle Abrahams. Erzählen, wie Gott Abraham behütet in seiner Heimat Haran. Verehren Heilige Karpfen, in die einst der Zorn Gottes sich wandelte. Halten sich Tauben im Hause und schmücken sie mit Silber und goldenem Schmuck. Was für eine Welt? Ein Traum. Aber ein wenig davon wurde schon Geschichte. Auf den Wegen, die wir gehen und auf den Reisen, die wir machen in ferne Länder, lässt sich davon schon einiges als Wirklichkeit entdecken.

Die beiden Kurden an der Tankstelle, sie kannten die Stadt. Und der junge Künstler aus Köln und auch ich halten sie nicht für einen Traum sondern für den Zipfel einer neuen Wirklichkeit, für die es sich lohnt zu arbeiten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4829
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