SWR2 Wort zum Tag

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In dieser Woche sind es 50 Jahre, daß Angelo Roncalli. zum Papst gewählt wurde. Von da an hieß der 77-jährige Johannes XXIII.. Statt Papst hätte er vielleicht auch Ketzer werden können. In seine Studienzeit als junger Theologe fiel nämlich der sogenannte Modernismusstreit in der Kirche. Dabei ging es um die Beziehung zwischen modernen Wissenschaften und den Aussagen des Glaubens und der Theologie. Zum Beispiel: Wie verhalten sich die biblischen Schöpfungsgeschichten zu wissenschaftlichen Ergebnissen über die Entstehung der Welt? Theologen, die Anfang des 20. Jahrhunderts solchen Fragen nachgingen, wurden von der Kirche bestraft. Damals legte man in Rom auch eine erste Akte über Roncalli an. Er sollte ein verbotenes Buch gelesen haben, und zwar eins über Kirchengeschichte, und er hatte Kontakt mit verdächtigen Theologen. Als Papst hat Roncalli seine Akte dann einmal in die Hand bekommen und darin – als Beweisstück - ein Postkarte gefunden, die er viele Jahre zuvor an einen der in Ungnade Gefallenen geschrieben hatte.
Glaube und Moderne, die Angst vor neuen Gedanken – das sollte eines der zentralen Themen seines Lebens werden und einer der Anstöße für das Zweite Vatikanische Konzil. Johannes hat einmal erzählt, was ihn bewogen hat 1962 alle Bischöfe der Welt nach Rom zu rufen. Dabei ist jene Geschichte aus der Bibel wichtig, in der die Jünger nachts auf dem See Gennesareth plötzlich Jesus sehen. Der Apostel Petrus bittet: „Lass mich auf dem Wasser zu dir kommen.“ Als Jesus antwortet: „Komm!“, steigt Petrus aus dem Boot und geht auf Jesus zu. Auf halber Strecke bekommt er Angst und droht zu sinken. Er schreit um Hilfe, und Jesus rettet ihn.
Diese Geschichte bezieht Papst Johannes auf sich: „Ich bin aus dem Boot gestiegen“, sagt er, „und ich gehe übers Wasser Christus entgegen, der uns ruft. So muss sich auch die Kirche aus ihren Gewissheiten lösen. Sie muss die Sicherheit des Bootes verlassen und ihrerseits über das Wasser gehen. Es ist Nacht. Es ist stürmisch, die Angst ist da. Aber wir dürfen nicht wieder zurück. Die Kirche ist dazu gerufen, sich der Welt zu stellen.“
Sich der Welt stellen – das wollte Johannes.
Die Kirche darf auch heute nicht sitzen bleiben im sicheren Boot des eigenen Glaubens. Christus – das sagt doch dieses Bild – steht schon außerhalb des Bootes inmitten der Wellen und Stürme. Sich Fragen stellen, sich neuen Erkenntnissen stellen heißt Christus begegnen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=4809
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