SWR3 Gedanken

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Was hätte alles verhindert werden können, wenn man sich rechtzeitig auf das Eigentliche konzentriert hätte. Wenn man sich aus Machtspielen und Geldgeschäften herausgehalten und seine Energie statt dessen auf das so genannte „Kerngeschäft“ konzentriert hätte.
Nein, die Rede ist ausnahmsweise nicht vom Bankencrash, sondern vom Reformationstag, den die evangelischen Christen heute feiern. Heute vor fast 500 Jahren nämlich soll der Mönch Martin Luther aus Zorn über die Zustände in der damaligen Kirche ein Papier mit 95 Kritikpunkten an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt haben. Schon damals ging es ums Geld. Aufrütteln wollte er damit, zum Disput herausfordern, in der Hoffnung seine Kirchenoberen zur Einsicht und zum Kurswechsel zu bewegen. Zurück zum „Kerngeschäft“, zum eigentlichen Auftrag der Kirche, der korrekten Verkündigung des Evangeliums nämlich.
Doch warum den Kurs ändern, wenn der Rubel wunderbar rollt und die ausgedachten Strategien scheinbar aufgehen? Die Chefetage der damaligen Kirche wollte von Kritik am eigenen Gebaren jedenfalls nichts wissen. Man versuchte lieber, den renitenten Kritiker mundtot zu machen, was letztlich allerdings misslang. Das Ende der Geschichte ist bekannt: Es kam zum Crash, zur Spaltung der einen Kirche in die Römisch-katholische und die Kirchen der Reformation.
Die Geschichte hat Martin Luther in Vielem recht gegeben. Seine Kritikpunkte von damals sind heute ausgeräumt. Auch die Katholische Kirche hat sich seitdem grundlegend reformiert. Dass es uns trotzdem bis heute noch nicht gelungen ist, die Spaltung zu überwinden, ist der eigentliche Skandal. Der Reformationstag macht darum jedes Jahr aufs Neue bewusst, dass zwischen den Kirchen nach wie vor eine Wunde offen ist.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=4755
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