SWR3 Gedanken

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Kinder und Tiere gehen immer, heißt angeblich eine ungeschriebene Fernsehregel. Wenn dann noch beides zusammenkommt brechen schon mal alle Dämme. So wie bei Knut letztes Jahr im Berliner Zoo. Das Bärenkind und sein Pfleger wurden zu Medienstars wider Willen. Dabei war der Tierpfleger Thomas Dörflein, der vor kurzem überraschend starb, wohl vor allem ein Mensch, der nur leidenschaftlich seinen Job machte. Das beinahe hysterische Gedränge am Zaun des Bärengeheges soll ihm immer suspekt gewesen sein. Verwundert soll er einmal gesagt haben, manche Leute am Zaun hätten ausgesehen, als wäre ihnen soeben der Heiland erschienen.
Der Satz hat mir gefallen. Wie schaut man eigentlich, wenn einem der Heiland erscheint und vor allem, was sieht man da? Ein Eisbärjunges und seinen Pfleger? Dem ungleichen Paar erging es damals wie vielen Medienstars, die angehimmelt, bisweilen gar vergöttert werden. Sie werden gleichsam zu Leinwänden, auf die Menschen dann ihre Wünsche oder Sehnsüchte projizieren können. Die Nöte der realen Eisbären oder auch die Gedanken eines Thomas Dörflein interessieren da bestenfalls am Rande.
Was verklärte Besucher tatsächlich in dem kleinen Bären gesehen haben, weiß ich natürlich nicht. Vielleicht war es aber wirklich so etwas wie die Sehnsucht nach der heilen Welt, die es auf Erden nie gab, die ein niedliches Bärenkind aber wunderbar repräsentiert. In den Verheißungen der Bibel aber kommt sie vor und die Hoffnung darauf wird tatsächlich mit dem Heiland verbunden. Am Ende der Zeit nämlich soll er kommen und das ersehnte Heil für alle bringen. Darauf zu vertrauen mag letztlich zwar viel versprechender, aber ganz sicher weniger greifbar sein als ein Heiland im Bärenfell.


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