SWR3 Gedanken

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Man kann sich darüber streiten, was einen einzelnen Menschen aus der Menge heraushebt, ihn zu einem besonderen, bedeutenden Menschen macht. Überragende Genieleistungen, unvergängliche Meisterwerke oder auch strategische oder politische Großtaten. Nach all diesen Kriterien wäre Angelo Giuseppe Roncalli wahrscheinlich kein ganz Großer geworden. Er, der einfache Bauernsohn aus der Lombardei, der in der Kirche bis zum Kardinal aufstieg und durch seine Bescheidenheit und Menschenfreundlichkeit Viele tief beeindruckte. Heute vor 50 Jahren aber wurde Angelo Roncalli im Vatikan zum Papst gewählt. Als Papst Johannes XXIII. übte er das Amt nur knapp fünf Jahre aus. Doch diese fünf Jahre reichten, um die Katholische Kirche tief greifender zu verändern als alle Jahrhunderte vorher. Er sah, dass die Kirche in jahrhundertealten Traditionen zu erstarren drohte. Die Fenster der Kirche wollte der neue Papst deshalb öffnen und frischen Wind durch die fast zweitausend Jahre alte Institution wehen lassen. Schon kurz nach seinem Amtsantritt ordnete er ein Konzil an, eine Versammlung aller Bischöfe weltweit. Als das Zweite Vatikanische Konzil ist es in die Geschichte eingegangen. Ältere Kollegen geraten noch heute ins Schwärmen über die Vitalität und Aufbruchstimmung, die damals herrschte. Vielleicht macht ja gerade das wirklich große Menschen aus: Die Fähigkeit, Anderen mit Güte und Beharrlichkeit neue Perspektiven zu eröffnen, ihnen wieder Lust auf neue Ideen und neue Wege zu machen.
Eine Anekdote hat ihn für mich unsterblich gemacht. Als er, bedrückt durch die ganze Last seines hohen Amtes, keinen Schlaf mehr fand, sah er in einem Tagtraum seinen Schutzengel, der zu ihm sagte: Giovanni, nimm dich doch nicht so wichtig. Von da an konnte er wieder ruhig schlafen.



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