SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Das kranke Kind, die sterbende Nachbarin, das schleudernde Auto. Es gibt mehr als eine Situation, in der ich den Eindruck habe: jetzt liegt es nicht mehr bei mir, jetzt kann ich nichts mehr machen. Alles ist ausprobiert, getan, gesagt. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Jetzt brauche ich jemanden, der mir hilft.
In der katholischen Tradition gilt Judas Thaddäus als Mann für die ganz schweren Fälle, für verzweifelte Situationen. Heute, am 28. Oktober, ist sein Namenstag. Judas Thaddäus war einer der Jünger Jesu. Und ist trotzdem eine der stillen, unbekannten Figuren in der Bibel geblieben. Gerade zweimal fällt sein Name in den Evangelien, eine einzige Frage darf er stellen. Im Kino nennt man solche wie Judas Thaddäus Statisten. Und gerade so einer, so eine Randfigur, soll mir tatsächlich in meiner Not, meiner Hilflosigkeit helfen?
Sein Name ist Programm. Judas ist griechisch und bedeutet »Gott sei Dank«, Thaddäus kommt aus dem Aramäischen und meint: »der Beherzte«. In vielen Legenden und Geschichten zeigt sich, dass dieser Judas Thaddäus ganz offensichtlich – und Gott sei Dank – ein zupackender Mann war. Als Jesus gestorben war, ist er offenbar nach Persien gegangen. und hat dort seinen christlichen Glauben gelebt. Offensichtlich mit Erfolg. Bis zum König von Babylon kam er. Ein geruhsames Leben sieht allerdings anders aus. Thaddäus sollte dem König im Krieg zur Seite stehen. Aber er weigerte sich, zu kämpfen. Sein Credo lautete: „Nicht zu töten, sondern lebendig zu machen bin ich gekommen.“ Hier liegt wohl auch der Kern der Idee, dass Judas Thaddäus für verzweifelte Situationen zuständig ist. Nicht die Verzweiflung, nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern das Leben.
Judas Thaddäus ist ein merkwürdig ungleichzeitiger Heiliger. Heute, wo wir scheinbar alles können und machen, da sagt einer wie Thaddäus: Du kannst schneller als dir lieb ist, in wirklich verzweifelte Situationen kommen. Und in solchen Situationen, kannst du andere brauchen. Und ermutigt mich, über meinen Schatten zu springen. Andere auch um Hilfe zu bitten. Wenn ich sie brauche – und selbst anderen zu helfen.

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