Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22,21) Ein Jesus-Wort. In den katholischen Gottesdiensten wird es heute wieder gelesen. Das klingt staatstragend und politisch korrekt. So wurde die Aussage Jesu meist verstanden: Der Bürger soll dem Kaiser, dem König, den Regierenden gehorchen und die Mächtigen nicht in Frage stellen.
Ein grandioses Missverständnis, wie die Geschichte zeigt: Jesus ist in Jerusalem. Da kommen einige Pharisäer zu ihm. Scheinheilig fragen sie ihn: „Sag uns: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?“ (Mt 22,17) Eine Fangfrage. Die Römer halten das jüdische Land besetzt. Erklärt Jesus die römische Steuer für rechtmäßig, dann ist er in den Augen seiner Landsleute ein Feigling und Verräter. Lehnt er die Steuer ab, macht er sich zum Rebell gegen die heidnische Besatzungsmacht.
Jesus kontert glasklar: „Ihr Heuchler! Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt!“ (Mt 22,19) Da ziehen die Pharisäer eine Silbermünze aus der Tasche. „Wessen Bild und Aufschrift ist das?“ (Mt 22,20) fragt Jesus. Natürlich zeigt das römische Geld den Kopf des göttlichen Imperators. So müssen sie antworten: „Des Kaisers.“ Jesus entgegnet: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ Im griechischen Originaltext heißt es sogar: „Gebt dem Kaiser zurück, was ihm gehört.“
Für Jesus steht fest: die Menschen gehören zuallererst Gott selber. Denn Gott hat sie erschaffen, nach seinem Bild. Ihm gebühren deshalb Ehrfurcht, Dankbarkeit und Vertrauen und nicht dem Kaiser in Rom.
Jesus verkündet also gerade nicht das Bündnis von Thron und Altar. Er stellt den Mächtigen keinen Blankoscheck aus. Der Staat ist nachgeordnet. Dort, wo die Staatsgewalt die Menschenrechte verletzt, da wird auch Gott angegriffen. Wenn das geschieht, sind Kritik und Widerspruch gefordert.
Jesus hat gewiss nicht die offene Revolte gepredigt, schon gar nicht die Gewalt. Aber er hat Gott und den Menschen Vorrang eingeräumt vor allem anderen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.
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