Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Das neue Jahr ist noch recht frisch, so dass man sich durchaus noch etwas zum neuen Jahr wünschen kann. Ich möchte ihnen heute ein gnadenreiches Jahr 2007 wünschen. Ein Neujahrswunsch, der ein wenig aus der Mode gekommen ist. Denn was heißt schon Gnade? Eine biblische Geschichte hilft diesem altmodischen und zugleich notwendigen Begriff auf die Spur zu kommen. Jakob, einer der biblischen Erzväter hat als junger Mann seinem Bruder Esau ganz böse mitgespielt, er hat ihn um seine Stellung als Erstgeborener gebracht, ihn um sein Erbe betrogen. Nach langen Jahren der Trennung begegnen sich die beiden Brüder. Jakob hat große Angst vor dieser Begegnung, denn Esau hatte allen Grund sich zu rächen. Aber Esau läuft ihm entgegen, umarmt ihn und fällt ihm um den Hals. Jakob – so drückt es die Bibel aus - findet Gnade in den Augen seines Bruders. Gnade ist das unverdiente Wohlwollen des Mitmenschen, das Ansehen, das er mir schenkt - deshalb der Ausdruck "Gnade in seinen Augen finden." Ich habe den Eindruck, wir tun uns oft schwer mit der Gnade, wir wollen nichts geschenkt haben, sondern uns alles verdienen. Aber es gibt keinen Anspruch auf das Wohlwollen des andern. Will ich es mir verdienen, dann ist es kein Wohlwollen mehr, sondern Berechnung.
Mit der Gnade Gottes verhält es sich ebenso. Auch sie kann ich mir nicht verdienen, sondern muss sie mir schenken lassen. Vielleicht so wie der Erzvater Jakob. Er sagte zu seinem Bruder Esau, nachdem er in dessen Augen Gnade gefunden hatte: "Ich habe dein Angesicht gesehen wie man das Angesicht Gottes sieht, und du bist mir wohlwollend begegnet.“ (Gen 33,10). Angesehen sein vom Mitmenschen und von Gott, das heißt Gnade. Wenn wir genug Ansehen geschenkt bekommen, brauchen wir nicht darum zu kämpfen. Das ist der erste Schritt zum Frieden im Kleinen wie im Großen. Deshalb wünsche ich Ihnen ein gnadenreiches Jahr 2007, dass sie Ansehen verschenken und geschenkt bekommen, von Gott und auch von ihren Mitmenschen.
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